Die Strafe - The Memory Collector
Türpfosten wie eine richterliche Anweisung.
Dann wandte sie sich wieder an die Frau in Uniform. »In mein Haus sind zwei Männer eingebrochen. Können Sie bitte nachfragen, ob man sie festgenommen hat?«
»Natürlich.« Sie trat zum Streifenwagen und nahm das Funkgerät zur Hand.
Tina stieg nun ebenfalls von der Ducati und schlenderte herüber. »Dokie hat sich gleich auf den Weg gemacht. In zwei Minuten ist er da.«
Dokie war ihr Boyfriend der Woche. Tina sammelte Jungs wie Anhänger für ein Armband.
Zitternd presste sie die Arme an den Körper. »Ich bin ein Eiszapfen.«
Jo drückte sie an sich und rubbelte ihr über die Schulter.
Die Polizistin blickte auf. »Noch keine Nachricht, Dr. Beckett.«
»Solange ich nicht weiß, dass diese Männer in Haft sind, fahre ich nicht nach Hause«, erwiderte Jo.
Die Beamtin breitete die Hände aus. Sie konnte Jo keine gesicherte Auskunft geben.
Jo seufzte. Beim Klettern war gerade die Unsicherheit der Reiz. In einer schwierigen Felswand war es inspirierend, keine Gewähr dafür zu haben, dass man den nächsten Halt erreichen oder einen Überhang überwinden konnte. So etwas nannte man Herausforderung. Aber die Ungewissheit in der Frage, ob die beiden Einbrecher gefasst worden waren oder nicht, verursachte ihr nur Magenkrämpfe.
»Können Sie irgendwo warten?«, fragte die Polizistin. »Meine Kollegen werden Sie anrufen.«
Jo gab ihr Tinas Nummer. Die Beamtin stieg in den Streifenwagen und schaltete das Blaulicht ab. Dann verschwand sie im dichter werdenden Nebel. Während ihre Rücklichter verblassten, schoben sich die verschwommenen Scheinwerfer eines verrosteten Nissan heran. Winkend hüpfte Tina zum Randstein. Der Wagen stoppte, und Dokie stieg aus - Rehaugen, silberne Gesichtspiercings und schimmernde Reißverschlüsse an der Lederjacke. Tinas neuestes Glitzerding. Er küsste sie.
Tina schaute sich nach Jo um. »Komm, wir holen Kaffee und fahren zu mir.«
Hinten an der Ecke zur Fulton Street bog ein Auto in die Straße ein. Nach dem Motorengeräusch und der Höhe der Scheinwerfer zu urteilen, ein Geländewagen. Jos Angst brodelte wieder hoch, und sie spähte angestrengt durch die Schwaden, um zu erkennen, ob es der rote Navigator war. Doch dann schälte sich Misty Kanans Chevy Tahoe aus dem Nebel.
Jo warf ihrer Schwester einen Blick zu. »Ich komm nach. Erst muss ich noch mit dieser Lady reden.«
»Bist du sicher?«
»Absolut. Dauert höchstens zwanzig Minuten.«
Tina wandte sich zum Gehen, dann drehte sie sich wieder um. »Da vor Ferds Haus …« Sie lachte und zwinkerte verlegen. »Du wolltest mich mit diesem Riesendolch retten? Wahnsinn.«
Jo drückte ihr die Hand.
Tina umarmte sie ungestüm. »Ich hatte solche Angst.«
»Ich auch.«
»Danke.«
Jo lächelte. »Ich liebe dich auch.«
Mit breitem Grinsen rannte Tina zum Auto. Dokie fuhr los, und sie verschwanden in einer weißen Abgaswolke.
Der Chevy Tahoe wurde langsamer und bog mit brummendem Motor in die Einfahrt. Das Fahrerfenster glitt nach unten.
Misty Kanans Augen waren groß und misstrauisch. »Ist es Ian? Hat man ihn gefunden?«
»Leider nein. Ich wollte Sie nur warnen. Bei mir sind zwei Männer eingebrochen und haben meine Notizen durchwühlt. Vielleicht haben sie auch Ihren Namen und Ihre Adresse gefunden.«
Misty stellte den Motor ab und stieg aus. Anspannung lag in ihrem Gesicht. »Sie meinen, sie haben die Informationen gestohlen, die Sie über Ian gesammelt haben?«
»Möglicherweise. Und ich weiß nicht, ob sie gefasst wurden.«
Misty musterte sie scharf. »Sie gehen also davon aus, dass dieser Einbruch was mit Ian zu tun hat. Mit mir. Mit uns.«
»Ich weiß keinen anderen Grund, warum zwei Leute in mein Haus einsteigen und meine Fallnotizen und meinen Computer durchsuchen sollten.«
Misty stürmte zur Eingangstür. Sie schloss auf, trat vor Jo ein und knipste das Licht an.
»Was haben Sie eigentlich gegen uns?«, zischte sie.
Jo ging innerlich auf Abstand. Sie war durchaus in der Lage, eine paranoide Frage zu erkennen.
»Ich bin hier, um Sie zu warnen, nicht um Sie zu vernehmen. Irgendwelche gefährlichen Kriminellen haben sich möglicherweise Ihren Namen und Ihre Adresse beschafft.
Ich glaube, Sie sollten von hier verschwinden. Nehmen Sie Seth und verstecken Sie sich an einem sicheren Ort, bis diese Kerle in Haft sind.«
Im Haus war es kalt. Nur das Licht im Flur brannte. Mit verschränkten Armen hatte sich Misty vor Jo aufgebaut, die Hand um die Schlüssel gekrallt.
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