Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
noch erschüttern?« antwortete Stefan Doerinck mit trockenem Hals. »Wir wissen ja alles.«
    »Stefan, hier wird über Corinna ein Urteil gefällt.« Hambach beugte sich vor. »Ich habe im Leben viel gesehen, das mußt du zugeben. Und ich habe mich immer tapfer geschlagen. Aber jetzt kriege ich Herzstiche. Auch über mich wird jetzt zu Gericht gesessen. Ich habe Corinna gewähren lassen und habe mich bei Professor Willbreit vor sie gestellt, weil ich an diese fremde Kraft glaube. Aber heute …« Er tippte mit den Fingern auf den Tisch: »Hier werden wir nicht mehr glauben, hier werden wir sehen! Bis dahin, verdammt, kann ich geplatzt sein!«
    »Mama ist gesund«, sagte Corinna ruhig. Sie blinzelte dabei ihrer Mutter zu wie einer Komplizin. »Ich spüre nichts mehr in meinen Fingerspitzen. Da ist keine Gegenwehr mehr. Kein Feind.«
    Dr. Hambach sprang auf. Seine Unruhe machte ihm zu schaffen. »Was ist mit Meersmann los?« rief er. »Wir sind doch angemeldet. Für zehn Uhr. Pünktlich sind wir da.«
    Er lief im Wartezimmer hin und her, las das Schild: ›Abgabe der neuen Krankenscheine bis zum 10.‹ und betrachtete ein Bild, das eine Kuh auf einer Almweide darstellte. Blöd, dachte er. Saublöd. Wo mag Meersmann das herhaben? Das Geschenk eines Patienten?
    Es gab da unter den Dingen, die man seinem Doktor schenkte, erstaunliche Sachen. Ein dankbarer Patient brachte einmal Dr. Hambach eine präparierte Rehpfote, an deren Knochenende ein Flaschenöffner montiert war. Das Glanzstück indessen stellte ein Geschenk dar, das der Bauer Hüdding auf ausdrücklichen Wunsch aus dem Nachlaß seiner Großmutter ablieferte: Ein Nachttopf. Ein schaurig-schönes Gefäß aus Porzellan, mit Röschen bemalt und mit zwei Griffen, die wie klassische Säulen aussahen. Hambach war überwältigt gewesen. Nur um den Auktionator zu ärgern, übergab er den Nachttopf einer Kunstauktion in Köln und erhielt drei Wochen später einen Scheck über DM 4.500. Kenner der Materie hatten sofort zugegriffen: Das Ding war ein wertvoller Nachttopf aus der Zeit, als der Bruder Napoleons König von Westfalen war. Eine Seltenheit. Seitdem war Dr. Hambach vorsichtig und unterließ es, Geschenke mit schiefem Mund zu betrachten. Gerade im Münsterland, auf den alten Höfen, ruhten noch ungeahnte Schätze.
    Dr. Meersmann kam herein, Ende der Dreißig, forsch, sportlich, sonnenbraun, eben ein passionierter Golfspieler mit Handikap 10. Seine Röntgenpraxis war auf dem neuesten Stand. Das ersparte es Patienten aus weiten Teilen des Hinterlandes, immer nach Münster fahren zu müssen.
    »Dann wollen wir mal«, sagte er burschikos. Er gab allen die Hand, die Assistentin führte Ljudmila weg zu einer Umkleidekabine, und dann fiel wieder die dicke Tür mit einem saugenden Geräusch zu. Doerinck und Corinna waren allein.
    Dr. Hambach hatte sich Dr. Meersmann angeschlossen.
    »Ich möchte dabei sein«, sagte er im Vorraum und blickte durch die offene Verbindungstür auf die riesige Apparatur mit dem Schwenktisch und den verschiedenen Fernsehmonitoren. »Wenn es möglich ist, Herr Kollege.«
    »Dann hängen Sie sich mal in die Bleischürze und helfen Sie mir beim Einlauf.« Dr. Meersmann band seine Schürze zu und war Dr. Hambach behilflich, in den schweren Strahlenschutz zu kommen. »Haben Sie ein spezielles Gebiet, mit dem wir anfangen sollen?«
    »Der Dickdarm im oberen rechten Drittel.«
    »Warum?« Meersmann sah Hambach fragend an. »Doch einen Verdacht?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Hambach vorsichtig. »Da traten mal unbestimmbare Schmerzen auf.«
    »Das haben wir gleich!« Meersmann betrat mit Hambach den Röntgenraum und zeigte auf einen Monitor. »Da lege ich gleich das Bild drauf. Wenn etwas undeutlich ist, ziehe ich es heraus und vergrößere. Sagen Sie mir, was Sie besonders interessiert, Kollege Hambach.«
    Ljudmila kam aus der Umkleidekabine, nackt und schön. Auch Meersmann dachte: Für einundsechzig noch blendend in Form – aber dann konzentrierte er sich ganz auf die Vorbereitungen, den Einlauf und die Lage der Patientin auf dem Röntgentisch.
    »Bitte, gnädige Frau, strecken Sie die Arme zur Seite. Ganz ruhig bleiben, nicht bewegen! Wenn es gleich ein paarmal knackt, sind das nur Umschaltungen, nicht Ihre Knochen.«
    Das war ein Standardwitz von Dr. Meersmann. Er wirkte immer und löste meistens die Verkrampfungen. Doch Ljudmila kannte sich mit Röntgen jetzt aus. In Münster hatte man sie mehrere Stunden lang vorgenommen, immer mit

Weitere Kostenlose Bücher