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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einmal in der Woche, mindestens aber einmal im Monat in einem gutbürgerlichen Lokal zusammentrafen und Erfahrungen austauschten. Ein besonders interessanter Stammtisch war die Ärzterunde – nicht wegen der bekannten Namen, die in Münster jedem geläufig waren, sondern wegen der verschiedenen Temperamente und Ansichten. Ein Bäckerstammtisch ist etwas Gemütliches, und wenn Metzger zusammenkommen, klirren die Gläser – bei den Ärzten dagegen hockt unsichtbar immer ein gewisser Neidgeist mit am Tisch. Eine untergründige Gegnerschaft provoziert ein gegenseitiges Kräftemessen. Es hat noch keinen Psychologen oder Philosophen gegeben, der hätte erklären können, warum sich Ärzte jovial und kameradschaftlich die Hände schütteln, obwohl jeder vom anderen reichlich wenig hält.
    Willbreit versäumte den Ärztestammtisch im Restaurant ›Zum alten Speicher‹ äußerst selten; eigentlich nur dann, wenn große Operationen ihn davon abhielten. Das kam nicht oft vor, denn der Stammtisch war freitags, und am Freitag wurden große Operationen nur in Notfällen durchgeführt.
    Mit Roemer hatte Willbreit noch immer nicht vernünftig sprechen können. Das Hausmädchen berichtete, der Herr Landgerichtsdirektor fahre morgens weg und komme abends wieder, aber natürlich sage er nie, wo er gewesen sei. Die gnädige Frau habe aus Ungarn angerufen. Sie bliebe noch acht Tage, da der versprochene Bär noch nicht gesichtet worden sei. Roemer war es mehr als recht, daß seine Frau noch nicht zurückkam. Er begann sich auf sein Sterben einzustellen, und das konnte er besser ohne Elise. Ihr Jammern – natürlich würde sie jammern – wäre ihm auf die Nerven gefallen. Nerven aber war das, was Roemer jetzt am dringendsten brauchte. Zwei Tage lang hatte er überlegt, ob er sich erschießen sollte, um die kommende Qual abzukürzen. Er hatte lange vor seiner Pistole gesessen, dabei aber seinen geliebten Rotwein getrunken – und damit soff er seinen Mut in Grund und Boden. Denn Mut gehörte dazu, um die Waffe aufzunehmen, den Lauf an die Schläfe – oder noch besser in den Mund – zu halten und dann den Finger zu krümmen. Bisher hatte Roemer Selbstmörder nie begreifen können. Keine Verzweiflung, dachte er immer, sei groß genug, um dieses schöne Leben zu opfern. Nichts, glaubte er, sei ausweglos. Bis ihm dann sein eigener Körper bewies, daß es Situationen gibt, vor denen der Mensch kapituliert.
    Nach drei Tagen hatte Roemer den Tiefpunkt überwunden. Er verschloß die Pistole wieder in seinem Bücherschrank und fuhr tagelang ziellos in der Gegend herum. Er lernte ein ganz neues Münsterland kennen, aß in Dorfgasthäusern Bauernstuten mit Knochenschinken, knabberte an den steinharten, aber köstlichen luftgetrockneten Mettwürsten und kippte dazu den Kornbrannt aus kleinen Privatbrennereien. Stundenlang konnte er jetzt an einem Bach sitzen oder unter einem weitausladenden, schattenspendenden Baum. Er beobachtete Kuhherden, schüttelte den Kopf, wenn sich Kühe gegenseitig besteigen wollten, und rief: »Du dämliches Luder!« Oder er sah den Pferden auf der Koppel zu, wie sie elegant und übermütig galoppierten. Einmal überraschte er sogar ein Liebespaar am Waldrand bei ihrer angenehmsten Beschäftigung, grüßte höflich und sagte zu dem verwirrten jungen Mann: »Früher hatte ich für solche Fälle immer eine Decke im Auto. Dann sticht das Gras der Holden nicht so in den Hintern …«
    In diesen Tagen wurde Roemer seelisch ruhiger und ausgeglichener. Das Unabwendbare, das Unerbittliche verlor seinen Schrecken. Zunächst und im Augenblick. Wie es sein würde, wenn die Schmerzen einsetzten, wenn der Verfall sichtbar wurde, das wußte er nicht. Nur eine Frage belastete ihn schwer, weil es darauf keine Antwort gab: Warum versagten Corinnas Hände bei ihm? Ausgerechnet bei ihm?
    An dem Abend, als Willbreit am Stammtisch erfuhr, daß in dem bis jetzt weithin unbekannten Ort Hellenbrand eine Art Wunderheilerin tätig sein sollte, hatte Roemer ein Telefongespräch mit Corinna Doerinck gehabt.
    »Wie geht es Ihnen?« fragte er ziemlich dämlich. Wie soll man auch anfangen?
    »Gut. Und Ihnen?« Das war genauso dumm.
    »Ich bin dabei, mich umzukrempeln. Ich fühle mich wie ein Schneider, der einen Mantel wendet. Ob da was Besseres rauskommt, wird sich zeigen. Ich entdecke immer neue Dinge, von denen ich früher nichts geahnt habe. Wissen Sie, was ich mache? Ich gehe auf Weltreise. Rund um den Globus. Südsee, Afrika, Südamerika,

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