Die strahlenden Hände
Garage. Als sein Maserati mit vollen Scheinwerfern hinausschoß auf die Zufahrt, stand Lydia am Fenster des Schlafzimmers und ballte die Fäuste. Sie war nackt und zitterte am ganzen Körper. Eine schöne Frau war sie, mit vielleicht etwas zu runden Hüften, aber fabelhaften Beinen und vollen Brüsten.
»Nie wieder!« zischte sie und biß sich in die rechte Faust. »Nie wieder wirst du das erleben! Du … du Rindvieh! Du Superarzt! Ich nehme mir einen Freund … Ja, damit du's weißt … einen Freund nehme ich mir. Der immer kann! Der mich nicht wegstößt! Einen Mann hole ich mir, einen richtigen Mann, der's mit mir tut, stundenlang. Hörst du? Ich hole mir einen Mann ins Bett!«
Sie schrie es gegen die Fensterscheibe, trommelte mit den Fäusten an die Wand und begann zu schluchzen. Dann warf sie sich ins Bett, strampelte mit den Beinen wie ein trotziges Kind und hatte trotz allem eine unbändige Sehnsucht nach Thomas, dem Superarzt …
Eine halbe Stunde lang versuchte Willbreit, bei Roemer eingelassen zu werden. Die riesige Villa lag dunkel und still in dem weiten Park. Das Hausmädchen machte nicht auf, weil es frei hatte und bei ihrem Freund in Amelsbüren schlief. Roemer war also allein, und er war so vom Alkohol weggenommen, daß er das Klingeln an der Tür nicht hörte. Es war im Schlafzimmer im ersten Stockwerk sowieso nicht zu hören. Auch als Willbreit, die Hände wie einen Trichter vor den Mund gelegt, Roemers Namen brüllte, erreichte ihn das nicht.
Für einen Augenblick dachte Willbreit daran, in das Haus einzubrechen. Ein Fenster einschlagen, eine Tür aufdrücken … das Mädchen war weg, Elise in Ungarn, Erasmus war ganz allein und hatte angerufen! Er mußte sich in einem verzweifelten Zustand befinden. Das rechtfertigte einen Einbruch.
Willbreit umrundete mehrmals die Villa und suchte ein offenes Fenster, eine nicht abgeschlossene Tür, ein angelehntes Kellerfenster. Nichts. Was passiert, wenn ich jetzt das Fenster zur Küche einschlage? dachte er. Ich weiß, daß Roemers Haus mit den modernsten Alarmanlagen gesichert ist. Direkter Alarm zur Polizei. Wenn ich einsteige, wird auf der Polizeiwache das rote Licht aufflammen. Wie kann man einem Polizeibeamten erklären, daß ein besorgter Arzt das Recht hat, bei seinem Patienten einzubrechen? Im Gesetz ist das bestimmt nicht vorgesehen. Eine dumme Situation.
Willbreit setzte alles auf eine Karte. Er stieß mit dem Ellenbogen das Glas aus dem Küchenfenster, griff durch das Loch zum Hebel und stieß das Fenster auf. Dann wartete er. Nichts geschah. Kein Sirenengeheul, keine zuckende rote Lampe, keine überall aufflammenden Halogenscheinwerfer, die Haus und Park in grelles Licht tauchten. Nichts.
Ein stiller Alarm, dachte Willbreit. Nur bei der Polizei ist jetzt Lärm. Der Einbrecher soll sich in Sicherheit wiegen. Nicht übel, Erasmus. Eine lautlose Falle.
Er stieg über die Anrichte in die Küche, lief hinaus in die riesige Eingangshalle. Spätestens hier hätte die Alarmanlage losheulen müssen. Aber es blieb still. Es mußte still bleiben, weil Roemer die Anlage gar nicht eingestellt hatte. Sie war nicht scharf gemacht. Wenn Elise zu Hause war, vergaß sie das nie. Sie hatte eine schon pathologische Angst vor Einbrechern.
»Was sollen denn die Einbrecher hier?« hatte Roemer mal gedröhnt. »Dich vergewaltigen? Das sind doch keine Masochisten!«
Elise hatte das erstaunlich ruhig hingenommen; sie wurde erst fuchsteufelswild, als sie am nächsten Morgen im Lexikon nachlas, was Masochist bedeutet.
Im Gegenzug hatte sie zwei Tage später Roemer mit einem Dr. Vollrath, Tierarzt in Greven, betrogen. Dr. Vollrath hatte bisher Elises Afghanen behandelt … Elises Behandlung war wesentlich anstrengender.
Willbreit kannte sich in der Riesenvilla gut aus, er war oft bei Roemer gewesen. Nur die Lage des Schlafzimmers war ihm unbekannt. Er wußte nur, daß es im ersten Stockwerk lag, rückwärts zum Park hinaus, von Elises Schlafraum durch ein Ankleidezimmer und ein orgiastisches Prunkstück von Badezimmer getrennt. Das Bad allein bestand aus drei Räumen: einem Raum für Wanne und Dusche, einem Raum mit Waschtischen und einer ganzen Wand voll Sportgeräten – die Roemer nie benutzte mit der Begründung: »Mein Bauch hat ein Vermögen gekostet, das schwitze ich doch nicht weg!« – und einem WC, das zum stundenlangen Verweilen verführte. Sogar eine kleine Bibliothek war da drin; Schmunzelbücher und spannende Romane. Das war eine grandiose Idee von
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