Die Strandhochzeit
Bananenkisten dienten als Stauraum und als Schreibtisch.
Holly schluckte. Sie hatte in den vergangenen Jahren in ärmlichen Behausungen gelebt, doch so etwas hatte sie noch nie gesehen.
„Und in wessen Bett werde ich schlafen?" fragte sie.
Jack stellte das Gepäck ab und drehte sich um. Sie errötete und ärgerte sich sofort darüber.
„Ich meinte nur ... es sind zwei Betten und ... jemand hat doch sicher ..."
Er hatte Mitleid mit ihr. „Ramon hat hier geschlafen. Und er ist freiwillig gegangen, falls du das wissen wolltest. Ich habe ihn nicht hinausgeworfen."
„Das weiß ich doch." Ihr glühten noch immer die Wangen.
Erst am Morgen hatte er zu ihr gesagt: „Es wird bestimmt nie wieder passieren." Wie könnte sie das jemals vergessen? Jack war sicher der Letzte, der vorschlagen würde, dass sie im selben Zelt schlief wie er. Vermutlich wird es ihm ebenso unangenehm sein wie mir, dachte sie.
„Wir werden uns damit abfinden müssen", meinte sie betont lässig.
Es herrschte ein kurzes Schweigen. „Du wirst dich daran schnell gewöhnen, denn sicher bist du bald so müde, dass du dich gar nicht mehr darum kümmerst", antwortete er freundlich.
„Ich bin jetzt schon todmüde." Holly gähnt e herzhaft.
Jack warf einen Blick auf die Uhr. „Nun gehen wir erst einmal zur täglichen Lagebesprechung. Danach kannst du mit uns anderen essen oder hierher zurückkommen, um zu schlafen, ganz wie du möchtest."
Die Besprechung lief sehr informell ab und war schnell erledigt. Eins der Bretter der Holzstege war verrutscht, die Ärzte baten darum, ein Extrazelt für Patienten mit ansteckenden Krank heiten aufzustellen, und in der Kläranlage waren technische Probleme aufgetreten. Doch die Wetterbedingungen schienen sich zu verbessern. Und für den nächsten Tag hatten sich Besucher aus der Hauptstadt angekündigt.
„Holly könnte für sie dolmetschen", sagte Ramon.
„Ich werde mein Bestes tun."
Nach der Besprechung aßen sie gemeinsam Bohneneintopf. Ramon fragte Holly: „Hat Ihnen schon jemand eine Taschenlampe gegeben?"
„Nein, noch nicht."
„Dann bringe ich Ihnen nachher eine. Manchmal wird es sogar tagsüber dunkel, weil sich die Wolken so zusammenziehen. Hat Jack Ihnen die Regeln erklärt?"
„Ja." Sie betrachtete ihn prüfend. „Ramon, würden Sie mir eine Frage beantworten?"
„Wenn es mit Jack zu tun hat, sollten Sie sich lieber an ihn wenden", erwiderte er unbehaglich.
„Ich kann ihn nichts Privates fragen, weil ... Wir führen nun einmal keine solche Beziehung." Sie sah ihn direkt an.
Ramon wandte zuerst den Blick ab. „Also gut", gab er nach, „was möchten Sie wissen?"
„Wer war sie?"
Der Spanier fluchte leise. „Jemand hat Ihnen also von Susana erzählt. Ich habe es geahnt..."
„Susana", wiederholte Holly nachdenklich. „Susana wer?"
Er sah sich um. Es wurde bereits dunkel. „Nicht hier. Gehen wir in mein Zelt. Dann kann ich Ihnen auch etwas zu trinken anbieten."
In seinem Zelt zog Ramon eine flache Flasche unter einem Papierstapel hervor.
„Leider habe ich keine Gläser."
Holly schraubte den Deckel auf und trank einen winzigen Schluck. Sofort traten ihr Tränen in die Augen. Sie hustete.
„Das ist Zuckerrohrschnaps, den die Einheimischen hier selbst brennen. Wir verwenden ihn hauptsächlich als Desinfektionsmittel, aber sie behaupten, er würde gegen alle möglichen Krankheiten wirken - von Gallensteinen bis zur Depression."
Holly rang sich ein Lächeln ab. „Bitte erzählen Sie mir jetzt von Susana", bat sie anschließend. „Ich möchte nicht die Einzige im Lager sein, die nicht Bescheid weiß."
Ramon seufzte und trank einen großen Schluck Zuckerrohr schnaps. „Also gut. Jack hatte vor einigen Jahren in Kolumbien eine Beziehung mit einer Frau, Susana Montijo.
Sie arbeitete nach dem Erdbeben als Dolmetscherin für ihn. Erst dachten wir alle, es wäre etwas Ernstes, aber dann ..." Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Mochten Sie die Frau?"
Unwillkürlich verzog Ramon das Gesicht. „Nein, nicht besonders. Sie war sehr wehleidig und hat immer erwartet, dass sich alle bei ihr entschuldigen - nur weil sie einen schlechten Start hatte. Jack hätte alles für sie getan. Als sie sich trennten, ging es ihm monatelang sehr schlecht."
Diese Worte taten ihr unendlich weh. Doch er war zu sehr in seinen Erinnerungen versunken, um es zu merken.
„Wollte Jack Susana heiraten?"
„Allerdings." Er klang wütend. „Er hat ihr ein kleines Traum-schloss in England gekauft
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