Die Strasse der Oelsardinen
tranken die Brühe. Sanft wie Musik senkte der Abend sich auf sie herab.
Die Wachteln lockten einander zum Wasser, Forellen sprangen, Motten flatterten um die Bucht; es wurde dunkler und dunkler. Nun machte der Topf mit Kaffee die Runde. Die fünf waren satt, warm und wurden schweigsam, bis plötzlich Mack auffuhr: »So ein verdammter Schwindel! Mir ist nichts so verhaßt wie ein Lügner.«
»Wer hat dich angelogen?« fragte Eddie.
»Ach, da wäre ja nichts dabei, wenn einer so zum puren Vergnügen ein bißchen aufschneidet. Ich hasse bloß Kerle, die sich selber belügen.«
»Wer hat denn das getan?« fragte Eddie wiederum.
»Ich«, antwortete Mack, »und ihr wahrscheinlich auch. Da hocken wir nun beisammen, die ganze Blase, warum? Weil wir uns ausgedacht haben, wir wollen für Doc ein Fest veranstalten. Wer hat jetzt das Fest gehabt? Wir. Und wenn wir zurückkommen, lassen wir uns noch von Doc Geld geben. Wir sind zu fünft! Wir werden fünfmal soviel trinken wie er, mindestens! Ich bin durchaus nicht sicher, ob wir die Gesellschaft für Doc geben. Ich glaube eher, wir geben sie bloß für uns selbst. Aber Doc ist ein viel zu netter Kerl, als daß man so etwas tun dürfte. Er ist der netteste Kerl, der mir je untergekommen ist. Ich möchte ihn nicht ausnützen, ihn nicht! Ich habe ihm doch mal einen Mordsbären aufgebunden, weil ich ihm einen Dollar abknöpfen wollte. Und wie ich mitten im schönsten Lügen war, merk' ich auf einmal: er weiß genau, das ist alles nur Kohl. Da ist mir das Wort im Hals steckengeblieben, und ich hab' gesagt: Doc, das ist ein plumper Schwindel. Und er hat in seine Tasche gegriffen und einen Dollar hervorgeholt. Mack , sagte er, ich denke, wenn einer etwas so nötig braucht, daß er deswegen so eine kolossale Lüge erfindet, braucht er es wirklich dringend. Und gibt mir den Dollar. Ich hab' ihn ihm am Tag drauf zurückgebracht, hab' ihn nicht einmal ausgegeben, nur über Nacht in der Tasche behalten und am Morgen wieder zurückgegeben.«
»Doc hat aber Einladungen schrecklich gern«, machte Hazel geltend. »Wir müssen ihn unbedingt einladen. Was ist denn zum Kuckuck dabei?«
»Ja, wollt ihr ihm denn etwas geben, was ihr zum größten Teil wiederbekommt?« fragte Mack.
»Wie wär's mit einem Präsent?« schlug Hughie vor.
»Angenommen, wir kaufen Whisky und schenken ihn ihm. Soll er damit tun, was er will!«
»Du hast das Richtige getroffen«, erkannte Mack an. »So wird's gemacht. Wir geben ihm den Whisky und machen uns dünn.«
»Weißt du, was dann geschieht?« opponierte Eddie. »Henri und die ganze Carmelclique riechen den Whisky von weitem, und dann hat Doc statt uns fünf ihrer zwanzig auf dem Hals. Er hat mir einmal erzählt: Wenn er sich ein Beefsteak brät, riechen sie das bis Point Sur. Wo bleibt da der Nutzen für ihn? Er stellt sich bedeutend besser, wenn wir für ihn die Gesellschaft geben.«
Das leuchtete Mack ein. »Aber«, erwog er, »wir könnten ihm ja etwas anderes als Whisky schenken, zum Beispiel ein Paar Hemdenknöpfe mit Initialen.«
»Ach was, Pferdescheiße!« rief Hazel. »Doc trägt doch so etwas nicht!«
Weiß standen die Sterne am Nachthimmel. Hazel schürte das schwache Feuer, dessen Licht seine schmale Spur ein Stück weit über den Sand warf. Von der Höhe drang das scharfe Gebell eines Fuchses. Der Nachtwind wehte den Duft von Salbei herab.
Murmelnd rieselte das Gewässer.
Mack brütete noch über dem letztbesprochenen Thema, als sie der Hall von Schritten herumfahren ließ. Ein dicklicher Mann trat aus dem Dunkel hervor. Er trug eine Büchse im Arm. Ihm zur Seite hinkte ein kurzhaariger Jagdhund. »Was treibt ihr hier, zum Donnerwetter?« fragte der Mann, und Mack antwortete: »Nichts.«
»Die Gegend steht unter Naturschutz. Fischen, Jagen, Biwakieren, Feueranzünden verboten! Packt zusammen, löscht das Feuer und macht, daß ihr schleunigst wegkommt!«
»Das haben wir wirklich nicht gewußt, Captain«, entschuldigte sich Mack, stand auf, »Ehrenwort, Captain, ich habe nirgends etwas von einem Anschlag gesehen.«
»Es sind überall Tafeln, unmöglich zu übersehen!«
»Entschuldigen Sie vielmals, Captain; es war ein Versehen unsererseits.« Mack faßte sein Gegenüber näher ins Auge, und es schien ihm ein Schlappschwanz zu sein. »Sie sind ein alter Soldat, Sir. Ja, so etwas sehe ich auf den ersten Blick an der strammen Haltung. Ich war auch beim Heer, viele Jahre; so etwas sehe ich gleich.«
Die Schultern des Mannes strafften sich unwillkürlich.
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