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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Danach dampfte die Erde. Hungrige Mücken gesellten sich zu den vielen Fliegen, die der nackten Haut bei zunehmender Feuchtigkeit zu schaffen machten.
    Ahmose hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, am Rand des geschwollenen Nebenarms zu stehen und zur Stadt hinüberzustarren, wenn er seine täglichen Pflichten erledigt hatte, und da spürte er auf einmal, dass etwas in der Luft lag. Es war, als braute sich fern in der Wüste ein Unwetter zusammen. Zerstreut betätigte er den Fliegenwedel, nahm aber die geordnete Geschäftigkeit ringsum kaum wahr, denn seine Augen suchten die Furcht einflößenden Verteidigungsmauern von Auaris ab. Die festgefahrene Situation ging ihrem Ende entgegen. Das sagten ihm die stickige Luft und das Plätschern des Hochwassers zu seinen Füßen, das war den Soldaten anzuhören.
    Bald musste er einen Teil seiner Truppen nach Hause schicken, das wusste er. Ende des kommenden Monats würde der Nil wieder in seinem gewohnten Bett fließen und der Boden auf die Saat warten. Anchmahor war bereits zum Osiris-Fest nach Aabtu aufgebrochen und hatte seinen Sohn als Befehlshaber der Leibwache des Königs zurückgelassen. Ob Apophis diese Anspannung wohl auch spürte?
    Eines Morgens weckte ihn kurz vor Tagesanbruch ein Angstanfall, wie er ihn seit der Zerstörung von Daschlut nicht mehr verspürt hatte. Mit hämmerndem Herzen setzte er sich im Dunkel auf und wollte bereits nach Achtoi rufen, als vor dem Zelt ein Licht flackerte und er hörte, wie Ramose den wachhabenden Soldaten ansprach. Auf einmal erkannte er den süßlichen Geruch, der in seine Träume gedrungen war. Daschlut. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal brennendes menschliches Fleisch gerochen habe. Er zog sich Sandalen an, ging zur Zeltklappe und hob sie vorsichtig.
    Sein Wachposten salutierte, und Ramose verbeugte sich. »Ich kann es riechen«, sagte Ahmose. »Hier draußen ist der Geruch sehr stark. Woher kommt er?«
    »Aus der Stadt«, antwortete Ramose knapp. »Man kann den matten Feuerschein sogar noch über der Mauer sehen, und wenn die Sonne aufgeht, wohl auch den schwarzen Rauch. Sie verbrennen Leichen.«
    Ahmose ergriff seinen Arm, und dann gingen sie zusammen zum reglosen Nebenarm, dessen Fluten glatt und schwarz schimmerten, und sahen sich Auaris an. Ein Weilchen blickten die Männer so hinüber. Dann sagte Ahmose: »Was, meinst du, ist da los, Ramose?«
    »Ich meine, die Menschen sterben«, erwiderte dieser. »Bei einer solchen Wasserknappheit muss es zu Krankheiten kommen, vor allem an einem solchen Ort. Und es gibt kein frisches Essen als die Hand voll Getreide, die die Bürger auf ihren Dächern anbauen können. Arme, Bauern und Händler, die Auaris aufgesucht haben, sitzen seit Beginn der Belagerung in der Falle, auch die Kinder, und die sterben zuerst. Apophis’ Vorräte sind durch Raumnot begrenzt. Sie werden immer weniger. Er und sein Adel leiden noch nicht, aber die Einwohner, die gar keine Vorräte haben, die tun mir Leid.«
    »Sie hätten besser daran getan, die Leichen über die Mauer zu werfen, dann hätten wir sie nämlich wegschaffen müssen«, warf eine tiefe Stimme ein, und als sich Ahmose umdrehte, stand Hor-Aha dicht neben ihm und hinter ihm Paheri und Kay Abana. »So hätten sie kostbares Brennmaterial gespart und die rasche Ausbreitung von Krankheiten unterbunden. Der Bürgermeister ist nicht gerade schlau.«
    »Vielleicht sollen wir nicht wissen, wie schlimm es um sie steht«, meinte Paheri. »Das Feuer da kann hundert Leichen oder tausend bedeuten. Puh, wie das stinkt!« Ach, Tani, dachte Ahmose verzweifelt. Wie viel von der Not der Stadt kannst du sehen und hören? Hast du letzte Nacht auch wach gelegen, als sich der erste Hauch des Gestanks in dein Schlafgemach gestohlen hat und du nicht schlafen konntest? Hast du schon taube Ohren vom Geschrei und Gejammer, das nicht bis zu uns hier unten dringt? Oder liegst du noch immer in Apophis’ luxuriösem Nest, in seiner erbarmungslosen Umarmung? Erhebst du bei ihm Einspruch gegen diese Gräuel, oder hat sich dein Herz zu sehr verhärtet?
    »Heute volle Alarmbereitschaft für die Flotte, Paheri«, sagte er mit belegter Stimme. »Und du, Hor-Aha, du lässt die Medjai nicht von ihren Schiffen herunter. Chabechnet, wo bist du?« Sein Oberster Herold löste sich aus dem Dunkel und trat näher. »Melde General Cheti, er soll sich vor Bogenschützen hüten, die auf der Mauer um den Nordhügel auftauchen können. Er soll kampfbereit sein. Auch die Generäle

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