Die Strasse des Horus
hinter dem Hügel gelassen und unterhielt mich gerade mit einem Wachposten, als die Sonne aufging. Dann dröhnten die Hörner, und ich bin gerannt.«
»Was hast du gesehen?«, wollte Ahmose wissen. Ramose überlegte.
»Nicht viel«, meinte er. »Den Rauch. Die vielen Bogenschützen auf der Mauer. Wie sich unsere Zelte geleert haben. Wie die Männer zu den Sammelstellen gelaufen sind. Es ist ein geordnetes Chaos.«
»Das möchte ich auch hoffen.« Ahmose ließ sich Ramoses Worte einen Augenblick durch den Kopf gehen, während er das turbulente Schauspiel betrachtete. »Was will Apophis damit erreichen?«, dachte er laut. »Ist es schlicht eine sinnlose Übung, eine stolze Geste oder was?«
Auf einmal erhob sich ein Geheul, unter das sich ein hektisches Gejaule mischte, bei dem Ahmose die Haare zu Berge standen. »Das Osttor geht auf!«, schrie Ramose. »Sieh doch, Ahmose! Es ist nicht zu fassen!« Ja, dachte Ahmose. Benommen und ungläubig sah er die mächtigen Flügel nach innen aufgehen. Er beugte sich vor, wollte Machu anfeuern, näher heranzufahren, doch Machu hatte bereits an den Zügeln geruckt, und die Pferde beschleunigten. »Die Setius kommen heraus! Da sind sie! Da sind sie!«
Machu brachte die Pferde zum Stehen, als ein anderer Streitwagen auf sie zugerast kam. Es war Chabechnet. Er sprang herunter und kam angelaufen. »Ich habe jedem General einen Herold zugewiesen, Majestät«, rief er. »Wie lauten deine Befehle?«
»Ich muss wissen, ob die Tore am Nordhügel ebenfalls geöffnet worden sind«, sagte Ahmose. »Ob weitere Soldaten herauskommen. Sag General Cheti, falls ja, so soll er sie schlagen und den Nordhügel besetzen, koste es, was es wolle. Koste es, was es wolle! Falls er Verstärkung braucht, kann er sie mit meiner Erlaubnis bei Turi oder Sobek-chu anfordern. Sag Paheri, er soll ihn mit der Flotte unterstützen. Die Medjai kontrollieren den westlichen Rand von Auaris und können daher beim Sturm auf das Westtor helfen.« Chabechnet salutierte, und sein Streitwagen entfernte sich in einer Staubwolke.
»Warum der nördliche Schutzwall?«, wollte Ramose wissen.
»Weil dort fast ausschließlich Setiu-Soldaten sind«, erwiderte Ahmose. »Wenn wir ihn überrennen und sie erschlagen können, haben wir Apophis vollkommen besiegt. Das östliche Delta ist beinahe in unserer Hand. Denk nur, Ramose. Dann hat er nur noch die Stadt selbst. Soldaten auszuräuchern ist wichtiger, als die Stadt einzunehmen.«
Sowie die Worte heraus waren, wusste er, dass sein Entschluss, sein Heer im Osten zu konzentrieren, richtig gewesen war. Kamose wäre dagegen gewesen. Für Kamose war dieser Krieg eine persönliche Angelegenheit, und er hatte nur einen einzigen Feind im Blick gehabt, nämlich Apophis. Er hatte die Setius vertreiben wollen, nur damit er nach Auaris hineinkam und Apophis eigenhändig vernichten konnte.
»Der Nordhügel hat auch zwei Tore«, warf Machu ein. »Eins zur Horusstraße und eins nach Westen, Richtung Nebenarm. Lass dich in den Schatten fahren, Majestät. Es wird ein langer, heißer Tag werden.« Ramose stieg aus.
»Mit Verlaub, Majestät, ich möchte an den Kämpfen teilnehmen«, sagte er. »Falls das Königstor auch geöffnet ist, möchte ich zur Stelle sein. Ich könnte mich bei General Turi nützlich machen.« Ahmose blickte zu ihm hinunter. Ich weiß, warum du dort sein willst, dachte er. Ich möchte dich nicht verlieren, aber ich kann es dir nicht abschlagen. Er nickte schroff.
»Aber lass dich nicht umbringen«, sagte er. »Ich habe keine Lust, nach einem anderen Nomarchen für Chemmenu und die Un-Nomarche zu suchen.« Und an Machu gerichtet sagte er: »Na schön. Fahre mich zu den Bäumen da.« Er zeigte in die Richtung. »Das ist zwar kein guter Aussichtspunkt, aber er muss reichen, bis die Herolde mir ein klareres Bild von dem Geschehen übermitteln.«
Unter den dicht belaubten Ästen einer mächtigen Sykomore setzte er sich auf den Boden des Streitwagens mit Blick auf die Stadt, und die Getreuen umringten ihn. Über einem Meer vorwärts stürmender Leiber, den Soldaten der Thot-Division, konnte er General Baqets Standarte sehen; sie befanden sich bereits im Kampfgetümmel mit den Horden, die aus dem Westtor strömten. Nach Südosten hin konnte er nur die Nachhut der Montu-Division ausmachen, die sich in einem riesigen Bogen verteilt hatte und sich mit Baqets Nachhut vereinte. Es gab noch ein Tor, das Ahmose nicht einsehen konnte. Daher wusste er nicht, ob es offen oder
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