Die Strasse des Horus
komme. Gehörte Kamose auch zu dem Preis? Und dabei wollte ich von mir aus gar nicht König werden, die Götter haben es so bestimmt. Und trotzdem haben sie mir meine Tochter genommen und meinen Bruder vernichtet. Auf einmal rannen Tränen durch seine Finger.
Als er sich ausgeweint hatte, hob er den Kopf und sah sofort das saubere Tuch, das man ihm hinhielt. Er nahm es und wischte sich das Gesicht. Ipi verbeugte sich, und Achtoi nahm ihm das Tuch ab. »Prinzessin Hent-ta-Hent ist tot«, sagte Ahmose tonlos. »Sie ist an einem Fieber gestorben. Nimm die Briefe hier, Ipi. Lies sie und bringe sie ins Archiv. Die Antworten diktiere ich morgen. Bleib hier. Bald kommt der Heeresschreiber mit seinem Bericht.«
»Majestät, es tut mir so Leid«, sagte Achtoi. »Gewiss braucht sich die kleine Prinzessin nicht vor den Göttern zu rechtfertigen. Ihr Herz wird auf der Waage im Gerichtssaal leichter wiegen als die Feder der Maat.« Sein Mitgefühl war echt, das wusste Ahmose. Achtoi hatte selbst Töchter. Aber deine Töchter sind nicht geopfert worden, damit eine Art kosmisches Gleichgewicht gewahrt wird, sagte Ahmose stumm zu ihm. Gewiss werden es die Götter nicht wagen, Hent-ta-Hents Herz in die Waagschale zu legen, da sie ihren Tod gewollt haben und sie unschuldig ist.
Ahmose blickte seinen Obersten Schreiber an, der sich die Rollen genommen hatte und ihn ausdruckslos beobachtete. »Ich glaube«, sagte Ahmose bedrückt, »dass wir demnächst heimziehen können, Ipi.« Der Schreiber lächelte grimmig.
»Das erhoffe ich mir von ganzem Herzen, Majestät«, sagte er.
Wie Ahmose vorausgesehen hatte, gab es in dieser Nacht weder für ihn noch für alle höheren Hauptleute Schlaf. Kurz vor Mitternacht stellte sich der Heeresschreiber ein, während sich der leider wohl bekannte Gestank nach brennenden Leichen in die ägyptischen Zelte stahl.
»Die Zählung ist beendet, Majestät«, sagte er, raschelte mit den Unterlagen und ließ sich tiefer auf seinen Stuhl rutschen. »Fünftausendvierhunderteinundneunzig Hände wurden eingesammelt und von mir persönlich gezählt. Davon wurden zweitausendeinhundert auf dem Schlachtfeld am Nebenarm genommen, die verbleibenden dreitausenddreihunderteinundneunzig am Nordhügel. Ein furchtbarer Verlust für Apophis.« Er blickte auf. »Die Leichen sind an zwölf Stellen in angemessener Entfernung vom Fluss angezündet worden. Unsere Verluste belaufen sich auf zweitausend Tote und fünfhundertdreiundsechzig Verwundete. Von den Verwundeten werden ungefähr neunzig nicht durchkommen, und zweihundertacht haben durch feindliche Schwerter entweder Arme oder Beine verloren. Wenn sie so weit genesen sind, sollte man sie nach Haus und wie üblich in Ruhestand schicken. Dir sind sie nichts mehr nütze.« Sein Bericht war knapp und sachlich. »Die Ärzte melden mir, dass die medizinischen Vorräte knapp werden. Ich lasse aus den Tempeln von Iunu Verbandszeug sowie Kräuter und Mohn holen, aber es dauert ein paar Tage, bis das hier ist.«
»Ordne unsere Gefallenen und Verwundeten nach Divisionen und Bootstruppe«, bat Ahmose. Der Schreiber gehorchte und las aus einer scheinbar endlosen Liste vor. Baqets Thot-Division hatte die größten Verluste erlitten, da er verzweifelt versucht hatte, Pezedchu aufzuhalten, bis Turi und die Amun-Division eintrafen, und die Flotte hatte weitaus die meisten Verwundeten, denn die Bootsleute hatten bei dem Versuch, ihre Schiffe zurückzuerobern, Arme und Hände verloren.
Nachdem sich Ahmose die Zahlen fest eingeprägt hatte, entließ er den Mann. An seiner Stelle traf fast unmittelbar darauf ein stetiger Strom von Hauptleuten der Divisionen ein, die meldeten, dass langsam wieder Ordnung herrsche. Der Vorrat an Pfeilen war aufgebraucht, Schwerter und Speere waren verloren oder zerbrochen, und man hatte Soldaten abgeordnet, die, sowie es hell wurde, herrenlose Setiu-Waffen einsammeln würden.
Der Letzte, der unter Verbeugungen eintrat, war Anchtifi, Standartenträger der Horus-Division. »General Cheti schickt dir seine herzlichsten Glückwünsche, Majestät«, sagte der Offizier. »Alle Setiu-Soldaten vom nördlichen Schutzwall brennen in diesem Augenblick draußen vor der Mauer, und unsere Division bezieht ihre Quartiere. Aber es gibt eine Enklave mit Ägyptern und Fremdländern, die meisten Kaufleute aus Keftiu, die auf kleinen Anwesen im Nordwesten des Hügels wohnen. Die zetern, dass sie fortwollen. General Cheti gibt ihnen nicht die Erlaubnis, ehe er keinen Befehl dazu
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