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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonnenschirme um die Tische. Die Ladung war im Schiff, die letzten Passagiere rannten über das Fallreep. Der Kapitän stand auf der Brüstung der Kommandobrücke und unterhielt sich mit dem Ersten Ingenieur, der von den Ladebunkern heraufgekommen war. Der Erste und der Zweite Offizier verglichen noch einmal die Passagierlisten mit den eingesammelten Fahrkarten, ehe sie zum Schiffsbüro hinübergingen. Eine Sirene neben dem großen, breiten Schornstein heulte plötzlich auf.
    Hilde zuckte unwillkürlich zusammen und wurde blaß. »Verzeihen Sie«, sagte sie leise. »Ich habe Sirenen zu oft gehört. Es sind schlechte Erinnerungen. Ich war noch ein Kind, da ist es doppelt haften geblieben.«
    Handrick legte seine Hand auf ihren Arm und nickte. »Ich weiß. Denken Sie jetzt an nichts anderes als an Afrika und die schöne Reise, die wir zusammen machen. Hinter Ihnen liegt die alte Welt; sie ist es nicht wert, daß man ihr nachtrauert. Man soll der Vergangenheit nie Kränze wehmütig-sehnsüchtiger Erinnerungen knüpfen – nie, auch wenn sie wirklich schön war. Uns faßt die Gegenwart viel zu hart an, um zurückzublicken. Es gibt nur ein Vorwärts, und das ist schwer genug. Das Unerreichte ist den Menschen immer das Schönste – das sagte einmal ein großer Philosoph, der mit seinem Leben nie zufrieden war.«
    Er zog sie auf die kleine Tanzfläche unter dem Sonnensegel und tanzte mit ihr, während die Schlepper den großen Dampfer aus dem Hafen zogen, die Menschen am Ufer winkten und Taschentücher schwenkten, die Sirenen aller Schiffe im Hafen zum Abschied heulten und der Kapitän auf der Brücke grüßend die Hand an die Mütze legte.
    Sie vertanzten die Abfahrt aus Deutschland, und es war gut so, denn Hilde Sievert stand später an der Reling und blickte auf den grauen Streifen Küste, der langsam in Meer und Himmel versank. Ein Gefühl der Angst krampfte ihr Herz zusammen. Unter ihr rollten die Wellen, die mächtige Schraube des Schiffes stieß Schaum bis an die erste Reihe der Bullaugen, hinter denen die Mannschaftsräume lagen. Ein Feuerschiff schwankte in der Dünung.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Hilde leise und drückte Handricks Hand. »Ohne Sie hätte ich bestimmt geweint.«
    Er nickte und legte den Arm um ihre Schulter.
    Bei der Berührung zuckte sie etwas zusammen, aber dann stand sie still und schaute auf das in der Sonne flimmernde Meer hinaus. »Wann werde ich Deutschland wiedersehen?« sagte sie traurig.
    »Daran dürfen Sie jetzt nicht denken!« Handrick hob strafend seinen Finger. »Freuen Sie sich auf das Kommende!«
    Sie senkte den Kopf, ihr langes Haar fiel wie schützend über ihr Gesicht. »Freuen«, sagte sie nachdenklich. »Hoffentlich wird es eine Freude. Hoffentlich finde ich ihn.«
    Dr. Handrick biß die Lippen zusammen. Ein plötzlicher, dummer Schmerz breitete sich in ihm aus. »Sie suchen einen Mann?« fragte er stockend.
    »Ja. Er wurde in der Wüste vermißt.«
    »Und Ihnen liegt viel an einem Wiedersehen?«
    »Sehr viel.« Sie blickte Handrick mit großen, traurigen Augen an, und dieser Blick tat ihm weh, er spürte es wie einen Stich in der Brust. »Ich fahre doch seinetwegen nach Afrika.«
    Da schwieg er und lehnte sich neben ihr weit über die Reling. Er kam sich allein vor, so allein, wie er es vor der Abfahrt geahnt hatte. Er blickte auf das bewegte Wasser und blieb auch stumm, als Hilde einen Stuhl heranzog und sich neben ihn setzte.
    Ein Mann, dachte er. Natürlich, wie hätte es anders sein können. Es gibt Milliarden Männer auf der Erde, und es ist lächerlich, dumm und dreist, sich nach einer Stunde einzubilden, daß man der einzige Mann im Leben eines schönen Mädchens sein könnte.
    Der Steward trat an Handrick heran und reichte ihm eine Speisekarte. Handrick dankte und steckte sie ungelesen in die Tasche.
    »Sie sind plötzlich so still«, sagte Hilde und berührte sein Knie mit der Hand.
    »Still? Ach ja …« Er sah sie an, die großen, dunklen Augen und den schmalen, schönen Körper. »Wenn ich das Meer sehe, werde ich immer still. Das Meer macht schweigsam, weil der Mensch seine Größe fühlt. Die Gottheit des Meeres! Was sind wir dagegen? Treibholz des Schicksals.«
    »Eben sprachen Sie anders. Ich dachte, Sie wären ein fröhlicher Mensch.«
    Dr. Handrick drehte sich um. »Sie haben recht. Kommen Sie! Wir gehen an die Bar. Ich habe eben nur an etwas gedacht – an einen Virus, der den Menschen plötzlich überfällt, ihn lähmt, ihm merkwürdige, erdennahe Träume

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