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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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flatterte ihr um das Gesicht, das mit leiser Wehmut Abschied von der deutschen Heimat zu nehmen schien. Einen Augenblick zögerte Dr. Handrick, dann stieg er die Treppe zum Oberdeck empor und stellte sich neben das Mädchen. Es beachtete ihn nicht, es sah nicht einmal kurz zur Seite; regungslos stand es an der Reling, und sein Gesicht war blaß und mager.
    »Haben Sie immer Heimweh, wenn Sie Deutschland verlassen?« fragte Dr. Handrick leise. Seine tiefe Stimme klang etwas heiser.
    Das Mädchen sah kurz zur Seite und wandte sich dann wieder dem Kai zu. »Es ist das erste Mal, daß ich Deutschland verlasse«, antwortete sie leise. »Und da tut's eben noch weh, so schön eine Reise nach Afrika ist.«
    »Nach Afrika?« Dr. Handrick zog die dichten Augenbrauen hoch. »Ihre Truppe geht nach Tunis?«
    »Nach Algier.«
    »Eine wunderschöne Stadt. Ich kenne sie. Weiße Häuser, terrassenförmig auf einen roten Felsen hinaufgebaut. Und zu Füßen das blaue Mittelmeer. Es ist eine Großstadt, fast so groß wie Berlin.«
    »Sie kennen Berlin?«
    Handrick nickte. »Ich bin Berliner.«
    »Wie schön!« Das Mädchen drehte sich um und sah Dr. Handrick mit einem offenen und freundlichen Blick an. »Und Sie fahren auch nach Afrika?«
    »Ja. Und das Schicksal war gnädig: auch nach Algier!« Er verbeugte sich mit der Korrektheit eines Mannes, der es gewöhnt ist, nicht anders zu denken und zu handeln, als es die gesellschaftliche Form vorschreibt. »Paul Handrick.«
    »Hilde Sievert.« Sie musterte ihn mit einem forschenden Blick. »Verzeihen Sie, Herr Handrick, aber ich bin schrecklich neugierig. Sie sind auch Künstler?«
    »Leider nicht. Ich bin Arzt, Internist.«
    »Ach.« Hilde Sievert beugte sich wieder über die Reling.
    Dr. Handrick blickte auf ihre Nackenlinie, wo sich die kleinen schwarzen Haare lustig kräuselten. Ein merkwürdiges Gefühl durchzog ihn, nicht das Gefühl eines Begehrens, sondern in seinem Inneren entstand Mitleid, das drängt, jemand zu beschützen, sich vor einen Menschen zu stellen und das unsichtbare Widerwärtige von ihm abzuwenden. »Wo werden Sie in Algier wohnen, Fräulein Sievert?« fragte er.
    Hilde zuckte die Schultern. »Das wissen wir noch nicht.«
    »Und Sie bleiben in Algier?«
    »Auch das ist uns unbekannt. Wir wurden jedenfalls nur für Algier verpflichtet.«
    Dr. Handrick sah Hilde ein wenig erstaunt an. »Sie haben das alles nicht in Ihrem Kontrakt stehen?«
    »Nein. In Algier erwartet uns der Manager, mit dem wir alles andere abschließen. In Berlin trat lediglich eine Vermittlungsstelle auf.«
    »Merkwürdig.« Handrick lehnte sich mit dem Rücken gegen die Stangen der Reling und sah Hilde in das etwas blasse und erregte Gesicht. In ihren Augen stand die Traurigkeit des Abschieds. »Ich glaube, mein kleines Fräulein, ich werde mich etwas um Sie kümmern müssen. Nein«, er hob die Hand, als Hilde etwas erwidern wollte, und lächelte sie ermunternd an, »sagen Sie bitte nichts. Sie sind Berlinerin – da fühle ich mich verpflichtet, für Sie zu sorgen! Ich werde in Algier viel Zeit haben, viel mehr Zeit, als ich erst dachte. Man schickt mich von Hamburg hinüber, um einige Symptome einer in der Sahara festgestellten Blutkrankheit an Ort und Stelle zu untersuchen. Mancher deutsche Seemann hat sich schon in den afrikanischen Häfen mit dieser Krankheit infiziert. Deshalb die Vorsicht in Hamburg. Sie sehen also«, er zog plötzlich seinen Schlips gerade, weil ihm einfiel, daß er ihn nach dem Waschen nicht wieder korrekt umgebunden hatte, »ich habe Zeit, mich um eine Landsmännin zu kümmern, die sich allein unter lauter Spitzbuben und Bettlern, Räubern und Mädchenhändlern befindet.«
    »Na, na …« Hilde lachte ein wenig. »So schlimm wird es in Afrika nicht sein!«
    Über eine Stunde saßen sie auf dem Sonnendeck und blickten auf das Treiben vor der Abfahrt. Ab und zu schielte Hilde zur Seite und sah Dr. Handrick an. Über sein braunes, großflächiges Gesicht wanderte die Sonne. Der Mund war schmal, die Haare etwas ergraut. Er trug einen hellgrauen Anzug und weiße Lederschuhe. Sein Hemd war ein wenig angeschmutzt und am Kragen durchgeschabt – sie mußte lächeln, als sie daran dachte, daß dies Merkmale eines Junggesellen sind, der keinen Blick für solche Kleinigkeiten besitzt, die jeder Frau sofort ins Auge fallen. Seine Hände umfaßten die Kaffeetasse, als müßten sie sich daran erwärmen. Dabei stach die Sonne schon sehr heiß auf das Deck, und die Stewards verteilten

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