Die Strasse ohne Ende
verschwunden war, kreisten Aasgeier über Oued Babar und stießen krächzend auf das blutende Kamel nieder.
Die Wüste wird ewig schweigen …
Die Biskaya lag hinter ihnen. Jetzt fuhren sie an der Küste Spaniens entlang, an dieser rauhen Küste, wo die Berge steil in das schäumende Meer abfallen. Nach einem heißen Tag war eine warme Nacht gekommen. Wie ein riesiges schwimmendes Haus schäumte die ›Esmera‹ durch den Atlantik, flammend von Lichtern.
In Lissabon, bei einer Zwischenlandung zur Aufnahme von Frachtgut und neuem Dieselöl, kam eine junge Frau an Bord der ›Esmera‹. Sie war schlank, schwarzhaarig, stark geschminkt und von jenem prickelnden Charme südfranzösischer Provenienz, der es einem Manne schwer macht, nicht genauer hinzuschauen und von ihr heimlich zu träumen. In einem weiten, glockigen Crêpe-de-Chine-Kleid wippte sie über das Fallreep und gab dem Ersten Offizier, der sie begeistert grüßte, ihre Karten und den Paß ab.
»Kabine siebzehn, Madame«, sagte er. Ein Steward sprang herbei, nahm die Koffer an sich und trabte den Gang der Ersten Klasse entlang. »Madame reisen allein?« fragte der junge Offizier unnötig.
»Ja.« Ihr Französisch klang hell und singend.
Sie muß aus der Provence kommen, dachte der Schiffsoffizier. Aus den Weinbergen. Er blickte ihr nach, wie sie auf hochhackigen Schuhen aus weißem Leder den Gang entlangtrippelte. An der Kabinentür drehte sie sich um und sah den Gang zurück, als suche sie etwas. Der Steward blieb wartend stehen.
»Ist ein Dr. Handrick an Bord?« fragte sie.
»Ich weiß nicht, Madame. Ich werde sofort im Büro nachfragen.«
»Das wäre sehr freundlich. Falls Dr. Handrick schon an Bord ist, sagen Sie mir bitte Bescheid.« Ein dankender Blick unter langen, dunklen Wimpern – der Steward rannte den Gang hinunter und ärgerte sich, daß er einen roten Kopf bekam, als ihn der Erste Offizier anschaute.
»Die hat uns an Bord noch gefehlt«, sagte er entschuldigend. Der junge Offizier antwortete darauf nicht.
Wenige Minuten später wußte Jacqueline Dumêle, daß Dr. Handrick an Bord war. Der Steward zeigte ihr diskret den großen, schlanken Mann, der an der oberen Reling mit einem schwarzhaarigen Mädchen stand. Jacqueline musterte ihn eingehend, setzte sich zunächst seitlich von ihm an das Schwimmbassin und rauchte eine türkische Zigarette. Er sieht gut aus, dachte sie. Gar nicht wie ein bekannter Forscher. Ich habe ihn mir klein und mit dicker Brille vorgestellt, Gelehrtentyp, leicht eingetrocknet. Aber das ist ein schöner Mann, ein Frauentyp, wenn man so sagen darf. Ich hatte wirklich Angst in Paris, als ich die Nachricht erhielt, ihn auf dem Schiff zu treffen.
Als das Mädchen – es war Hilde Sievert – Dr. Handrick verließ und zu ihren Kameradinnen hinabging, erhob sich Jacqueline Dumêle und trat an Dr. Handrick heran. Sie hatte vorher in einem Taschenspiegel ihr Aussehen überprüft, die Lippen noch einmal nachgezogen, ein wenig Puder auf die Nase gelegt und hinter die Ohrläppchen einen Tropfen Espège getupft. Nun stand sie hinter ihm und fühlte, wie ihr Herz schlug. »Dr. Handrick?« fragte sie leise.
Er fuhr herum und sah sie verblüfft an. Sein Blick umfaßte sie, und daß seine Augen leicht aufleuchteten, erfüllte sie mit tiefer Freude. »Madame?« sagte er erstaunt. »Wir kennen uns? Ich weiß wirklich nicht …«
»Wir kennen uns nur dem Namen nach, genauer gesagt: Ich kenne Sie! Ich bin Jacqueline Dumêle. Das ist für Sie kein Begriff …«
»Leider nein.«
Sie lachte mit einer kleinen Koloratur. »Ich glaube es Ihnen, Herr Doktor. Man zeigt in Paris ein großes Interesse an Ihrer Blutvirus-Forschung. Als Sie nun die Reise nach Afrika antraten, hatte man in Paris in der serologischen Abteilung der Sorbonne die Idee, mich ebenfalls loszuschicken, damit ich mich mit Ihnen in Verbindung setze. Das habe ich jetzt getan.«
»Ich wüßte mir keine charmantere Bekanntschaft.« Dr. Handrick verbeugte sich leicht. »Aber offen gestanden, mir ist der tiefere Sinn Ihres Auftrages nicht ganz klar.«
»Ich soll Ihnen helfen, das ist alles! Ich soll Ihre Forschungen unterstützen und für Frankreich das herausholen, was nützlich ist. Frankreich ist sehr an einer Eindämmung der Blutseuche interessiert. Deshalb bezahlt die Sorbonne auch meine Reise.« Sie lachte ein wenig zu keck. »Das heißt, wenn Sie mich nicht aus Ihrer Nähe verbannen! Ich bin ausgebildete Serologin, Staatsexamen, alles – nur meinen Doktor habe
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