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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber als der Sand und die Sonne war die Stille, diese Ruhe eines Grabes, das Schweigen eines toten Landes. Grandtours sah Amar Ben Belkacem mit starren Augen an. In seinem Blick stand der Stolz des Europäers.
    Amar Ben Belkacem biß die schmalen Lippen zusammen und verschränkte die Arme über der knochigen Brust. »Wir sind allein, Leutnant. Ich kann Ihnen alles sagen, was ich sonst nicht zu sagen wagte. Und Sie werden es vergessen, Sie werden den Tag in Oued Babar nicht in Ihrer Erinnerung führen; denn es gibt kein Erinnern mehr, wenn ich den Brunnen und Sie verlasse.«
    »Das ist eine Drohung.« Grandtours griff an den Dolch. Eine plötzliche, lähmende Angst durchrann seinen Körper. Trotz der Hitze begann er zu frieren. Er erkannte den Blick Amar Ben Belkacems und wußte, daß es keinen Ausweg gab. Langsam ging er zum Brunnen zurück, die Augen immer auf Amar Ben Belkacem gerichtet, der ihm ebenso langsam folgte.
    Gedanken durchrauschten ihn. Er dachte an das Fort, an Hauptmann Prochaine, an ein Mädel in Marseille und an eine Winzerin in der Provence. Juliette hieß sie.
    Juliette. Blond war sie gewesen, ein bißchen zu schlank in den Hüften. Zum Teufel, sie konnte küssen! Abends hatten sie in den Weingärten gesessen und in die Wolken geschaut. Die Winzerin und der junge Kadett Grandtours.
    Juchhei, lustig ist das Leben der Kadetten!
    Grandtours starrte Amar Ben Belkacem an – drei Schritte waren sie voneinander entfernt.
    Drei Schritte, die alles bedeuteten in ihrem Leben.
    »Du erbärmlicher Schuft!« sagte Grandtours leise. Man verstand es kaum, aber Amar Ben Belkacem verstand es. Und das war genug.
    Er schnellte vor, raubtierhaft, mit einem Satz, und griff nach Grandtours' Hals. Seine Finger umschlossen ihn, lange, krallenhafte Finger, und drückten den Kehlkopf in die Luftröhre.
    Grandtours schloß die Augen. Er begriff nicht, was mit ihm geschah, er rollte in den Sand und fühlte den Körper Amar Ben Belkacems über sich. Er schlug um sich, trat gegen den Körper über sich, die Finger lösten sich. Da hieb er mit beiden Fäusten in das Gesicht, das sich ihm wie eine Maske näherte. Er sprang auf, stürzte auf den Taumelnden und riß, ohne es zu wissen, seinen kleinen Dolch aus dem Gürtel. Ein Schlag warf ihn zurück, der Dolch fiel in den Sand und wurde in ihn hineingestoßen.
    »Ich habe sie geliebt«, stöhnte Amar Ben Belkacem. Er hielt wieder Grandtours' Hals umklammert, der ihn mit glasigen, weit aufgerissenen Augen anstarrte. »Ich habe sie gerettet, ich habe sie emporgehoben aus dem Dreck – bis du kamst, der weiße, stolze Mann, der mich einen stinkenden Araber nannte und mit einem Tritt aus der Hütte jagte. Du … du …« Die Finger krallten sich in das Fleisch.
    Grandtours röchelte. Er trat um sich, stieß mit dem Kopf vor, ließ sich fallen und stieß die Arme in den über ihn rollenden Amar Ben Belkacem hinein. »Schwein!« stöhnte er. »Du Schwein! Du hundsgemeines Schwein!«
    Da ergriff ihn Amar Ben Belkacem und trug ihn über seinem Kopf zum Brunnen. Hoch hob er den Körper und warf ihn dann in den Brunnen, hinein in dieses tiefe Loch, wo am Boden das versandete Wasser träge aufquoll.
    Schwer atmend, mit geschlossenen Augen, lehnte er dann am verfallenen Rand und stützte sich auf die gebleichten Steine.
    Er lauschte.
    Es war still. In der Tiefe des Brunnens lag Schweigen.
    Da raffte er seine zerrissene Djellabah über der keuchenden Brust zusammen und ging langsam zu Grandtours' Kamel. Phlegmatisch lag es unter einer Palme und glotzte den Araber mit seinen großen, bösen Augen an.
    Einen Augenblick zögerte Amar Ben Belkacem, als er das schöne, wertvolle Tier sah. Dann aber rannte er zurück, an dem Brunnen vorbei, zu einer der letzten Palmen, wo sein weißes Rennkamel vor einem trockenen Bündel Heu lag und kaute. Er riß aus der Satteltasche einen schweren Revolver und eilte mit ihm zu Grandtours' Tier zurück. Zögernd hob er die Hand, dann schloß er die Augen und drückte ab. Peitschend ging der Schuß in der Hitze unter. Amar Ben Belkacem drehte sich mit geschlossenen Augen um und bestieg sein eigenes Kamel. Ohne sich umzublicken, verließ er Oued Babar.
    Auf keiner Karte steht Oued Babar. Nur siebenundvierzig Palmen wachsen hier, und ein tiefer Brunnen liegt einsam unter gnadenloser Sonne. In einem Monat wird nahe bei ihm das gebleichte Skelett eines Kamels liegen.
    Woher sie kommen, wie sie es riechen – man weiß es nicht. Aber noch ehe Amar Ben Belkacem

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