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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Wangen. »Gehen wir nach hinten ans Heck. Dort hat man einen schönen Blick über das ganze Schiff, und wir sind allein.« Den Arm um ihre Schultern gelegt, ging er mit ihr nach hinten.
    Unter ihnen donnerte die riesige Schiffsschraube durch das Meer und hieb die Wellen zu weißem, schaumigem Gischt. Matrosen saßen auf den Ladeluken und rollten Tauwerk zusammen. In den großen Bunkern waren Arbeiter dabei, die eingeladenen Autos zu waschen. Mit großen Schrubbern voller Schaum und langen Schläuchen reinigten sie die Wagen. Es waren meist Mulatten oder Farbige; sie grinsten, als die beiden zum Heck gingen.
    Es war eine der warmen südlichen Nächte, die träumerisch machen und seltsam beschwingen.
    Aus dem großen Speisesaal der ›Esmera‹ drang Musik. Nur wenige der Liegestühle waren besetzt; in Decken eingehüllt lagen hier die wenigen romantischen Gäste, die das Rauschen des Meeres und den Glanz des Mondes über den Wellen erleben wollten. Ab und zu huschte ein Steward durch die Gänge und Decks und brachte eisgekühlte Limonade, Eiskaffee oder einen Sodadrink zu den stillen Stühlen.
    Nahe der Reling, neben dem kleinen Schwimmbad auf dem Oberdeck und neben den Bordspielplätzen, auf denen man am Tag Scheibenschießen und Kricket spielte, lagen in ihren Liegestühlen auch Hilde und Dr. Handrick. Neben ihnen, auf einem Klapptischchen, standen ein paar Gläser.
    Hier oben war das Stampfen der starken Maschinen kaum noch hörbar. Die Musik aus dem Hauptdeck war wie ein Hauch. Nur das Meer quoll an der Bordwand hoch, und der Kiel durchschnitt knirschend die Wellen.
    »Wann sind wir in Algier?« fragte Hilde und legte die Hände in den Nacken. Die schwarzen Haare fielen über ihre Arme und berührten seine Hand, die neben ihrem Kopf lag.
    »In vier Tagen.«
    »Vier Tage noch.« Sie sah in den Himmel, dessen Wolken wie eine golddurchwirkte Samtstickerei aussahen. »Das ist kurz.«
    Dr. Handrick beugte sich vor. Ihr Gesicht lag im Dunkel seines Schattens; er konnte es kaum erkennen. »Wir werden uns wiedersehen, Hilde«, sagte er leise und strich ihr über die Wangen. »Ich werde dich aus diesen Kabaretts herausholen, und wir fahren zusammen nach Europa zurück.«
    »Ohne Hans gefunden zu haben?«
    Dr. Handrick sah auf seine Finger. Er wußte, es war schwer, unendlich schwer, was er sagen mußte, vielleicht war er brutal, aber was nützte es, sich vor dem zu verschließen, was unabwendbar war? Er stockte ein wenig, ehe er sprach, und seine Stimme war unsicher.
    »Glaubst du, daß dein Bruder noch lebt, Hilde? Nein, bitte, sage jetzt nichts. Ich weiß, diese Hoffnung ist deine ganze Kraft, nach Afrika ins Ungewisse zu fahren. Vielleicht sollte man dich von diesem Abenteuer zurückreißen. Vielleicht wird alles umsonst sein … Seit fünfzehn Jahren ist Hans verschwunden. Man sah ihn zuletzt in der Nacht, bevor er aus dem Gefangenenlager in Tunis ausbrach und in der Wüste verschwand. Hilde, wir müssen ganz nüchtern denken, verstehst du, wir dürfen uns keine Illusionen machen, denn Träume sind tödlich in der Sahara! Hans flüchtete ohne Waffen, ohne Munition, ohne etwas zu essen, ohne Wasservorräte, nur mit seiner alten Uniform bekleidet, auf die in großen weißen Buchstaben PW gemalt war. Gleich am Morgen nach der Flucht wurde die Wüste systematisch abgesucht. Man setzte ein Kopfgeld aus, rief die Araber zu Hilfe, durchkämmte alle Oasen und Siedlungen bis fünfhundert Kilometer ins Innere der Sahara und fand ihn doch nicht! Niemand hörte auch seitdem etwas von einem Weißen, der allein durch die Wüste zieht. Du kennst nur die kleine Zeitungsnotiz.«
    »Er ist es, Paul, bestimmt, er ist es!« Hilde umklammerte seine Hände. Angst lag in ihrem Griff, ein stummer Schrei: Verlaß mich nicht! Nimm mir die Hoffnung nicht! Er lebt noch. Er muß leben …
    Dr. Handrick sah zu Boden. »Es ist schwer weiterzudenken«, sagte er leise. »Aber seien wir doch ehrlich, Hilde: In fünfzehn Jahren hätte er wenigstens einmal schreiben können. Vor allem jetzt, nachdem der Krieg lange zu Ende ist. Es gibt keinen Menschen, der sich in eine Freiheit rettet, um sie dann für ein ewiges Untertauchen zu verwenden. Er wollte frei sein, er wollte nach Deutschland – darum brach er aus! Aber er hat in den fünfzehn Jahren nie mehr an Deutschland gedacht, nicht denken können, weil … weil –«, er umfaßte Hilde und drückte sie an sich, »weil die Wüste stärker war als er.« Er streichelte ihre Haare und hob ihr Gesicht

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