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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Dr. Sievert biß sich auf die Lippen.
    Wieder hockte er den ganzen Tag in seinem Keller und aß von den Früchten. Er fühlte, wie sein Körper das Essen aufsaugte wie ein Schwamm. Gegen Mittag schlief er sogar ein wenig, in der dunkelsten Ecke des Kellers zusammengerollt wie ein Igel. Als er erwachte, stand wieder der lange Araber in seinem seidenen Haikh in den Ruinen. Deutlich konnte er ihn durch die Ritzen des vorderen Gewölbes erkennen, so greifbar nahe, daß er fürchtete, man könnte seinen erregten Atem hören.
    Am Nachmittag hörte er aus dem Wadi die Rufe seiner Verfolger. Sie suchten noch immer die Oase ab, als Händler kamen sie in jedes Haus und durchstreiften jeden Garten. Selbst in der Moschee und ihren unterirdischen Gängen suchten sie, begleitet von den beiden Priestern und dem Muezzin, der die Öllampe hielt und leuchtete.
    In diesen Stunden verließ Hilde nicht ihr Zimmer. Sie saß hinter dem roten Balkongitter und sah hinüber auf die Ruine. Bobo saß neben ihr auf einem Lederhocker und fletschte die Zähne. Einmal kam Fuad ins Zimmer und sprach mit ihr; am Klang seiner Stimme hörte sie, daß er sie etwas fragte. Da schüttelte sie den Kopf und machte durch Zeichen deutlich, daß sie müde sei. Schnell verließ Fuad das Zimmer. Auch in die ›Häuser‹ kamen die Leute Amar Ben Belkacems. Sie fragten die Mädchen aus, durchsuchten die Keller und Dächer und standen dann unter Hildes Balkon. Fuad schien ihnen zu erklären, wer in diesem besonderen Haus wohnte; sie starrten zu dem Balkon hinauf, wilde Burschen mit kleinen, dunklen Bärten und braunen, kantigen Gesichtern. Dann gingen sie weiter und durchsuchten den Garten.
    Hilde klammerte sich an das Gitter und sah ihnen nach. Bobo saß mit gesträubtem Fell neben ihr und greinte.
    Jetzt kamen sie an die Ruine. Sie gingen um sie herum. Sie betrachteten die verbrannten Mauerreste und die dichten Gestrüppe.
    Sie fühlte ihr Herz in der Kehle klopfen. Es war, als bekäme sie keinen Atem mehr. Erregung und Angst schnürten ihr die Kehle zu. Sie drückte das Gesicht an das Gitter und starrte auf die weißen Gestalten, die die Ruine umringten.
    Laß es nicht zu, dachte sie zitternd. Mein Gott, laß es nicht zu. Daß der Flüchtende deutsch sprach, hatte sie einen Augenblick sehr erschüttert. Wie kam es, daß hier in Oued el Ham ein Deutscher von Arabern gesucht wurde? Das war eine Frage, die sie nicht beantworten konnte. Vielleicht war er ein geflohener Fremdenlegionär? Es gab viele Deutsche in der Legion, Jungen, die in der Heimat hoffnungslos waren und das große Glück ihres Lebens im Abenteuer suchten. Nach wenigen Wochen schon waren sie innerlich zerstört, ausgebrannt wie die Wüste, in der sie dienten und in der sie starben.
    Hilde schloß einen Augenblick die Augen. Die Erregung wuchs, sie hatte das Gefühl, schreien zu müssen, laut zu schreien, um sich von dem wahnsinnigen Druck im Innern zu befreien. Als sie die Augen wieder öffnete, verließen die Araber mit Fuad die Ruine und gingen zur Mauer am Wadi zurück.
    Ein wilder Triumph erfüllte Hilde. Sie hätte jubeln können. Im ersten überquellenden Impuls umarmte sie Bobo und drückte ihn an sich. Der kleine Affe quiekte und flüchtete in eine Ecke des Zimmers, von wo er seine Herrin mit ängstlichen Augen anstarrte.
    Durch eine kleine Tür in der Mauer, die immer mit schweren Eisenketten verriegelt war, verließen Fuad und die Araber den Garten. Sie gingen durch das Wadi zur Hauptstraße und verschwanden aus Hildes Blicken.
    In seinem Keller stand Dr. Sievert und lauschte nach oben auf die sich entfernenden Schritte. Deutlich hatte er die Worte verstanden, die seine Häscher sprachen. Fuad erzählte ihnen die Sage von der ausgebrannten Ruine. Hier verberge sich niemand, sagte er stolz. In Fuads Garten gebe es keine Weißen!
    Dr. Sievert verharrte leicht vorgebeugt und wartete auf die Antwort. Sie kam nicht; nur die Schritte wurden leiser, bis sie ganz in der Ferne verklangen. Aufatmend setzte er sich in seine muffige Ecke zurück und verscheuchte zwei Nattern, deren glatte Leiber über den Boden krochen.
    Das ist der letzte Akt, dachte er und strich sich über die Stirn. Sie war voll Schweiß, aber der Schweiß war kalt und klebrig. Ich habe doch Angst gehabt, gestand er sich. Ich habe gezittert, als ich ihre Stimmen hörte; aber nun ist alles vorbei, nun werde ich Ruhe haben, viel Ruhe.
    Ich werde viel schlafen, drei, vier Tage nur schlafen und essen und trinken. Ich werde nichts

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