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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zehenspitzen an den Trennmauern entlang und überkletterte so Dach nach Dach, bis er vor der Häuserreihe der Hauptstraße stand. Dort ließ er sich an der Mauer herab und rannte mit langen Sprüngen die Straße hinunter. Aus einer Seitengasse bellte ein Schuß.
    Amar Ben Belkacems Leute! Sie haben mich gesehen! Er hetzte weiter, strauchelte und entging so dem zweiten Schuß, der neben seinem Kopf vorbeipfiff. Plötzlich schrie er auf. Er schrie, brüllte schrill in die Nacht hinaus: »Hilfe! Hilfe! Hilfe!«
    Im Gebäude der Gendarmerie wurde es lebendig. Einige halbbekleidete Gestalten stürzten heraus. Sie schossen über die Straße, an dem flüchtenden Mann vorbei, der die letzten Schritte taumelnd zurücklegte und dann, mehr fallend als gehend, das Haus erreichte. Dort brach er zusammen und wurde von zwei Gendarmen in den Wachraum getragen.
    »Das hat uns noch gefehlt!« sagte der Sergeant der kleinen Station. »Ein Weißer! Kinder, das gibt einen Stunk.«
    Am Morgen war der große Gebäudekomplex Fuad el Mongalla ibn Hadschehs von Gendarmerie und Militär umstellt. Im Wadi, auf der Straße, rund um den Palmengarten und vor den ›Häusern‹ standen die Männer und beobachteten jede Bewegung innerhalb des Rings. In den Straßen stauten sich die Araber, stumm, voll Abwehr, feindlich, haßerfüllt. In ihrer Stille lag die Unheimlichkeit der Wüste, die Unerbittlichkeit des glühenden Landes.
    Dr. Sievert stand mit dem Sergeanten und einem Leutnant der Artillerie vor Fuad.
    Dieser saß auf einem Diwan und trank aus einem kleinen, hohen Glas seinen stark gesüßten, sirupdicken Kaffee. »Ich weiß nicht, was die Herren wollen«, sagte er in vornehmem Französisch, dem man die Pariser Schule anmerkte. »Bei mir ist alles still!«
    »Wo ist das weiße Mädchen?« Dr. Sievert schlug ihm das Glas aus der Hand.
    Klirrend zerbrach es auf dem dicken Teppich. Ein häßlicher brauner Fleck sog sich in das Gewebe.
    Erstaunt, mit hochgezogenen Augenbrauen, sah Fuad seinem Glas nach. Dann wandte er sich still an Dr. Sievert, beherrscht, als sei er gerade nicht tödlich beleidigt worden. »Welche weiße Frau?« fragte er kopfschüttelnd. »Ich bin Araber. Ich habe keine weiße Frau!«
    »Sie wohnt in Ihrem Haus! In dem Zimmer mit dem Balkon zum Garten. Und wo ist der tote Wächter?«
    »Ein toter Wächter?« Fuad lächelte das geheimnisvolle, von Dr. Sievert so gehaßte Lächeln der Araber. »Wozu sollte ich Wächter haben, und warum sollen sie tot sein?«
    Dr. Sievert ließ Fuad sitzen. Er rannte durch das Haus. Das Balkonzimmer war ausgeräumt. Dick lag Staub auf dem Fußboden, als sei es seit Jahren nicht bewohnt worden. Kahl, leer, wie gestorben war der Raum mit seinem roten Gitterwerk.
    Im Garten war der Blutfleck entfernt. Das Gras war aufgerichtet. Sogar die Blumen waren begossen worden.
    Dr. Sievert rannte zurück in den Raum, wo noch immer Fuad saß und eine neue Tasse Kaffee trank. »Wo haben Sie sie hingebracht?« brüllte Dr. Sievert. »Ihr habt sie umgebracht!« Er wollte sich auf Fuad stürzen, aber der Leutnant hielt ihn fest.
    »Ruhig«, sagte er. »Bleiben Sie ruhig, Doktor. So erreichen Sie bei einem Araber gar nichts. Sie kennen doch die Wüste. Wir werden ihn so fragen, wie er seine Feinde fragt.«
    In den Augen Fuads glomm ein Feuer auf. Aber sein Gesicht war unbeweglich, als der Sergeant ihm die Handschellen um die Handgelenke legte.
    »Sie tun mir Unrecht«, sagte Fuad einfach und stolz. »Und Unrecht ist die Mutter des Hasses.« Mit erhobenem Haupt verließ er sein Haus und stieg in den Jeep, der vor der Tür wartete. Stumm fuhr er durch die Ansammlung der Araber. Sie verneigten sich wortlos und drehten sich um, als die Truppen geschlossen abzogen.
    Allein mit dem Leutnant stand Dr. Sievert in dem leeren, staubigen Zimmer. Er sah sich um, trat an den Balkon und blickte von ihm in den Garten und auf die in der Sonne liegende Ruine. »Hier hat sie gesessen und mich in der Nacht gesehen«, sagte er leise. »Sie hat mir das Leben gerettet, Leutnant. Ich weiß nicht, wie sie heißt, woher sie kommt, wer sie ist und was sie macht. Ich weiß nur eins: Sie war eine Deutsche. Wir müssen sie finden, Leutnant.«
    »Die Wüste ist groß, Doktor.«
    Dr. Sievert schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Größe des Landes, wenn man einen Menschen sucht. Das habe ich in diesen fünfzehn Jahren gelernt.« Er drehte sich um und verließ stumm das Zimmer. Erst im Garten sprach er wieder. Er stand an der Mauer zum Wadi und

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