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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in einen Abfallkasten und sah auf die Leiche des Bettlers. Mit dem Kopf nickte er in Richtung des Tisches. »Und was soll mit dem da geschehen?«
    »Wir geben ihn zur Beerdigung frei. Ich habe jetzt drei Liter Blut entnommen – das muß reichen, dem Virus auf die Spur zu kommen. Reicht es nicht, müssen wir warten, bis uns ein neuer Fall zur Verfügung steht.«
    Dr. Veuille lächelte. »Ich glaube, darauf können wir jetzt lange warten. Sie glauben nicht, wie schnell es sich in Biskra herumgesprochen hat, daß Sie einen kranken Bettler von der Straße geklaut haben! Alle Kranken werden jetzt – wenn man Sie nur sieht – fluchtartig aus Ihrer Nähe verschwinden. Mit Gewalt ist gar nichts zu machen. Sie kennen ja die Instruktionen aus Algier: Ruhe bewahren, nicht provozieren – abwarten, wie sich die Dinge in Marokko und Tunis entwickeln.«
    Dr. Handrick zog die Gummihandschuhe aus, die er bei der Arbeit an der Leiche übergestreift hatte, und warf sie in einen Kasten, der sofort verschlossen wurde. Sein Gesicht war sehr ernst, als er sich abwandte und zur Tür ging. »Dann werde ich die Toten sammeln«, sagte er leise.
    »Auch die wird man verstecken!«
    Dr. Handrick hob die Schultern. »Das bleibt abzuwarten. Vielleicht wird auch der Araber anders denken, wenn er sieht, daß unsere Arbeit Rettung und Gesundheit für ihn bedeutet. Man hat ja nie versucht, den einfachen Mann aufzuklären. Man kam, impfte sie ohne zu fragen, nur weil ein Caid sich bereit erklärte, seine Leute impfen zu lassen. Warum das alles geschah, warum plötzlich ein weißer Mann erschien und viermal mit einem kleinen Messer in den Oberarm schnitt oder eine spitze Nadel in den Brustmuskel jagte – das erfuhren die Leute nie! Wundert es Sie da, daß sie uns hassen und uns aus dem Weg gehen?«
    Dr. Veuille lachte laut. »Sie sind wirklich der typische deutsche Idealist, Herr Kollege! Wollen Sie etwa populärmedizinische Vortragsreihen in der Wüste halten? Der reiche Araber, der gepflegte Handelsmann, der Caid, der Ladenbesitzer, der Exporteur mit drei amerikanischen Wagen und siebzig Frauen, der Großgrundbesitzer – die haben ihre guten Ärzte, die können sie auch bezahlen und sich die Medikamente aus Europa per Flugzeug kommen lassen. Sie haben Bäder, kennen den Wert der Hygiene, halten sich peinlich sauber. Aber es ist nur eine Minderheit, mein Bester. Es ist die dünne Haut auf der abgekochten Milch. Die Massen, die Millionen in Nordafrika, die sind arm, dreckig, primitiv – ein Sumpf, den man nicht auspumpen kann, weil immer neuer Schlamm nachläuft!«
    Dr. Handrick schob die Unterlippe ein wenig vor und verharrte an der Tür. Nachdenklich sah er seinen Kollegen an, so, als gestalte sich in seinem Gehirn ein neuer, großer Gedanke. »Dr. Veuille«, sagte er langsam. »Ich glaube, hier in Biskra komme ich nicht weiter. Sie haben in diesem Punkt wirklich recht – der Herd der Seuchen liegt in der Masse des Volkes, in den niedrigsten Schichten. Biskra ist mir deshalb zu städtisch – ich müßte mehr in den Süden.«
    Dr. Veuille starrte Dr. Handrick entgeistert an. »Sie wollen in die Sahara?« stotterte er. »In die heißen, einsamen Oasen? Das ist doch Irrsinn!«
    »Das Gleiche hat mir Parthou auch gesagt. Aber wir haben doch die gleiche Ansicht, Dr. Veuille: Der Herd liegt im Elend der Ärmsten.« Dr. Handrick hob beide Arme. »Was bleibt mir übrig? Ich werde in den Süden müssen!«
    »Mit dem ganzen Labor?«
    »Mit dem Notdürftigsten, was man braucht. Einige Kisten Iatren, Terramycin, Aureomycin, Clauden, Sango Stop, Gelatine, Cardiazol, Coramin, Lobelin, die einfachsten Apparate für Infusionen, auch intravenöser Art, einige Blutkonserven aller Blutgruppen – das ist alles. Vielleicht zwei Kamellasten.«
    Dr. Veuille blickte auf den gefliesten Boden, der zur Mitte, zu einem vergitterten Abflußloch, leicht abfiel. Er spürte, daß es ihm leid tat, Handrick bald nicht mehr um sich zu haben. Er sah plötzlich, daß dieser junge Arzt aus Deutschland viel, unendlich viel für Biskra und Algerien bedeutete, vielleicht für die ganze Medizin, die durch eine erfolgreiche Virusforschung ein neues Gesicht erhielt. »Ich lasse Sie nicht gern fort, Dr. Handrick«, sagte er ehrlich. »Wir haben uns immer viel gestritten – täglich. Aber es geschah aus Prinzip – vielleicht auch aus Bequemlichkeit, das Altgewohnte nicht plötzlich umzustürzen und sich umstellen zu müssen. Sie im Süden zu wissen, allein, schutzlos, unerfahren –

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