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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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killt!«
    »Das soll ein Wort sein!«
    Über Biskra schallte die Stimme des Muezzin von dem Minarett der Moschee. Sie drang bis in die letzten Winkel der Oase.
    Dr. Veuille schob die Tischlampe näher und beugte sich über eine kleine Karte, die er aus der Tasche zog und die das Gebiet um Ghardaia zeigte. »Ein großer Seuchenherd ist die Brunnengruppe VI. So nennen wir die Straße von Ghardaia nach El Golea, weil in Abständen von jeweils ein oder zwei Tagereisen mitten im Sand Bohrlöcher liegen, die brackiges Wasser führen. Von hier aus schleppen die Karawanen die Krankheit in die Oasen ein, wo sie nach einer Inkubationszeit von acht bis zehn Tagen unheilbar ausbricht.« Er nahm einen schnellen Schluck des herben Weines. »Wenn sie einmal in einer Oase ist, greift sie verheerend um sich. Die hohe Sterblichkeitsziffer kennen Sie ja. Wieviel Todesfälle es genau sind, weiß niemand, weil keiner sich der Mühe unterzieht, die genaue Bevölkerungszahl der Wüste festzustellen und damit einen präzisen Überblick zu gewinnen. Es wäre auch unmöglich, weil die Sahara – bitte, lachen Sie nicht, Herr Kollege – ein sehr bewegtes Land mit einem großen Menschenverkehr ist. Man sieht das kaum in der riesigen Einöde, aber es ist wirklich so. Ganze Stämme wechseln die Wohnorte. Nomaden ziehen plötzlich vom Hoggar nach dem Norden, und Nordstämmen gefällt es im Süden besser. So sind sie immer unterwegs – im Laufe eines Jahres Tausende! Man weiß ja nicht einmal, ob diese neue Ruhrart nicht aus zwei Wurzeln besteht: das Virus aus unseren Wüstenbrunnen und die Amöbenruhr aus dem tropischen Afrika. Wir haben ja alle Völker in Nordafrika – sie kommen aus Zentralafrika, aus Ägypten, Tunesien, Marokko, Abessinien, dem Kongo und vom Niger. Wer weiß, ob nicht bei diesen Zügen auch die Amöbenruhr in verstärkter Form aus den Tropen in unsere subtropische Sphäre kommt? Das alles ist erst zu klären, ehe man an die Krankheit selbst heran kann.« Er hielt inne und legte die Karte mit einer resignierenden Bewegung zur Seite. »Sie sehen, Handrick, eine Aufgabe, der ein einzelner Mann gar nicht gewachsen sein kann!«
    Dr. Handrick blickte in den stillen Garten mit den hohen Dattelbäumen hinaus. »Sie haben es schön hier, Veuille«, sagte er ablenkend. »Es ist eines der schönsten Europäerhäuser, das ich kenne.«
    »Mag sein.« Dr. Veuille schenkte Dr. Handrick das Glas wieder voll und brüllte dann nach dem Boy Kaspar Hauser, der grinsend aus der Tür stürzte. »Wo ist das Eis, du schwarzes Aas? Wenn nicht sofort das Eis auf dem Tisch steht, schneide ich dir das Herz heraus!«
    Der Negerjunge drehte sich auf dem Absatz seiner bemalten Pantoffeln herum und rannte in das Haus.
    Dr. Veuille lachte ihm nach und nickte Dr. Handrick zu. »Ein nettes Kerlchen. Sie müssen sich übrigens auch einen Boy zulegen. Ohne Boy in Afrika – das hieße Selbstmord begehen! Kaspar Hauser hat bestimmt viele Freunde, die gern mit Ihnen ziehen. Ein paar Datteln am Tag, einen halben Liter Milch oder Wasser, zwei Mehlfladen und jede halbe Stunde drei Tritte in den Hintern, dann sind sie zufrieden.«
    Dr. Handrick lächelte. Er erinnerte sich an die Zeit, als er das erste Mal nach Algier kam, ein junger Arzt, kurz nach dem Krieg, von den Franzosen beargwöhnt und sichtlich geschnitten. Er stand allein auf dem Flugplatz Algiers und sah auf seine Koffer, die noch den Kreidestrich des Zolls aufwiesen. Niemand erwartete ihn, keiner der Kollegen aus dem Institut für Hygiene war zum Empfang erschienen. Er kam sich wie ein Ausgestoßener vor und wunderte sich, daß niemand ihn ergriff und wegschleppte auf eine Insel für Aussätzige. Damals stieg er in ein Taxi und ließ sich nach Algier fahren. Es war ein sonnenheller Nachmittag, große Schwüle lag über der weiten Bucht mit dem tintenblauen Meer, aus dem die weiße Stadt emporzusteigen schien. Er ließ sich Zeit, bummelte durch die Straßen, ziellos, denn er kannte die Stadt ja nicht. Er kam in die Kasbah und durchstreifte sie, allein, furchtlos, weil er nicht wußte, in welcher Gegend er sich befand. Er lehnte in der alten Türkenfestung oben auf dem roten Felsen an den gegossenen Bronzekanonen mit den großen, hölzernen Rädern und schaute über die grandiose Stadt. Hier oben, an den Rohren mit den alten Wappen und Gußzeichen, träumte er von dem Afrika seiner Phantasie, von den Palmengärten und dem Zauber des Orients. Die Geschichte Afrikas rollte an ihm vorbei – die Sultane und

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