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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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denn im Süden hilft Ihnen keiner, da müssen Sie allein weiter, und wenn Sie es nicht mehr können, dann verrecken Sie elend –, dieser Gedanke peinigt mich. Handrick, Sie unterschätzen die Wüste!«
    »Kaum! Ich war schon mehrmals in Algerien.«
    »Algier!« Dr. Veuille machte eine verächtliche, wegwerfende Handbewegung. »Ob Sie über den Kurfürstendamm gehen, den Broadway, über den Jungfernstieg, durch die Londoner City oder über den Boulevard de la République in Algier – das ist alles gleich! Hochhäuser, Asphaltstraßen, Luxuswagen, Straßenbahnen, Omnibusse, schöne Frauen, Männer in Maßanzügen – was ist in Algier anders als in der anderen Welt? Die paar verschleierten Frauen oder die Feze und Turbane der Moslems? Lieber Kollege, was Sie kennen, ist ein Pseudoafrika. Das wahre Gesicht unseres Kontinents sehen Sie nur, wenn Sie mindestens tausend Kilometer von aller europäischen Zivilisation entfernt sind. Gerade da aber möchte ich Sie nicht sehen.«
    »Aber dort ist der Herd der Virusruhr!«
    »Allerdings«, gab Dr. Veuille zögernd zu.
    »Also fahre ich hin.«
    »Und wenn Sie umkommen? Was hat die Wissenschaft dann von Ihnen? Ein paar Knochen, wenn man Sie jemals finden sollte.« Es war Dr. Veuille ernst mit diesen Worten. »Bleiben Sie in Biskra und verarbeiten Sie erst einmal die drei Liter Blut des Halunken.« Er blickte zu dem toten Bettler hinüber, der lang und flach unter dem weißen Tuch lag, das Dr. Handrick über ihn gedeckt hatte. »Vielleicht haben Sie Glück mit Ihrem Iatren. Manchmal sind die besten Resultate die verblüffend einfachsten.«
    »Manchmal!« Dr. Handrick schüttelte den Kopf. »Ihre Sorge ist rührend, Veuille, und Ihre Mühe anerkennenswert. Aber ich fahre! Ich habe mir das in den Kopf gesetzt. Sie wissen nicht, was das bedeutet! Ich war schon als Kind ein Dickkopf. Was ich wollte, das erreichte ich! Als Student war es genauso. Wir hatten einen Professor in Marburg, der uns die Zellpathologie noch nach dem Virchowschen Gesetz lehrte. Niemand wagte von uns jungen Füchsen, ihm zu widersprechen. Auch ich nicht. Aber in den Nächten saß ich und studierte bis zum Umfallen die andere, die moderne Richtung vom Zusammenwirken der Hormone als einer der Lebensgrundlagen des menschlichen Organismus. Und endlich, am Ende des Semesters, meldete ich mich mit einem fertigen, unanfechtbaren Referat und zerpflückte zum Entsetzen der anderen Kommilitonen die ganze mühsam uns eingetrichterte Lehre des alten Professors. Damals war ich stolz, daß er mir nicht widersprach und mir den Triumph der Stunde ließ. Er war der Klügere – das weiß ich jetzt. Aber in der Jugend ist man grausam und rücksichtslos. Ich wollte damit nur sagen: Ich hatte mir das in den Kopf gesetzt, und ich führte es aus, auf Kosten vieler schlafloser Nächte. Jetzt, Veuille, ist es nicht anders: Ich weiß, daß im Süden der Sahara der Ansatzpunkt des Hebels liegt, mit dem ich die Krankheit angehen kann – also werde ich unter allen Umständen fahren.«
    An diesem Tage sprach man nicht mehr darüber. Dr. Veuille hatte Handrick zu sich in seine Wohnung eingeladen. Es war eine weiße Villa mit mehreren flachen Dächern und verschachtelten Anbauten, Balkonen, Terrassen, in einem großen Garten gelegen, eine kleine Traumvilla, in der es kühl und trotz der Weite der Zimmer gemütlich und einfach war. Sie saßen am Abend auf einer der Terrassen in tiefen Korbsesseln und tranken den starken Sidi Brahim, den ein kleiner schwarzer Boy mit breitem Lächeln servierte.
    Dr. Veuille zeigte mit dem Daumen auf den Jungen und lachte. »Dieses kleine schwarze Biest habe ich auf ähnliche Art bekommen wie Sie Ihren Bettler. Eines Tages kommt ein Araber und legt mir diesen Jungen auf den Tisch. Ich sehe ihn mir an und stelle fest: Typhus. Als ich mich nach der Untersuchung umwende, ist der Kerl weg. Einfach weg! Seitdem ist der Junge bei mir. Keiner weiß, wie er heißt – keiner weiß, wo er herkommt. Er hat anscheinend keine Eltern und auch keine Geschwister. Da habe ich ihn als Boy genommen.«
    Dr. Handrick sah dem kleinen Jungen nach. Er ist ein Nubier, dachte er. Ein kaum mit Araberblut gemischter Nubier. Merkwürdig, wie er nach Algerien kommt. »Und wie nennen Sie ihn?« fragte er.
    Dr. Veuille lachte: »Kaspar Hauser.«
    Handrick fiel in das Lachen ein und hob das Glas mit dem rosa Wein. »Sehr treffend. Worauf trinken wir, Herr Kollege?«
    »Auf Ihre dumme Südreise! Und darauf, daß irgendein Araber Sie

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