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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Nilland. Mein Vater starb in Berrian.«
    »Und wovon lebst du jetzt? Vom Stehlen?«
    »Nicht allein, Herr.« Er blickte mich aus seinen runden, großen Augen wie ein Tier an. »Ich bettle viel. Und ich kann auch arbeiten – wenn ich will.«
    »Wenn du willst. Und du willst jetzt, Ferrai?«
    »Vielleicht, Herr.«
    »Dann komm und fahr mit mir in die Wüste.«
    »Als Ihr Boy?«
    Ich schüttelte erstaunt den Kopf. »Woher weißt du, was ein Boy ist?«
    »Aber Herr.« Ferrai sah mich mißbilligend an. »Ich war doch der Boy der Frau, von der ich das Amulett habe.«
    »Na ja, das kann ja gut werden.«
    Von dieser Stunde an wich Ferrai nicht von meiner Seite. Er schlief neben mir, er aß in Sichtweite, er folgte mir wie ein Hund, und er stahl alles, was er bekommen konnte und ihm für mich nützlich erschien, brachte es abends, unter seinem dreckigen Hemd verborgen, das er nie auszog, in mein Zelt und breitete es auf meiner Matte aus: kandierte Datteln und eine Dose Corned Beef, eine Flasche Gin und drei Schachteln Schokolade.
    Keine zehn Minuten später hörte ich Tumult bei den Truppen, die mich begleiteten – man suchte Gin, Datteln, eine Büchse Corned Beef und Schokolade.
    Ferrai grinste mich an und legte den Finger auf den Mund. »Schnell essen, Herr«, sagte er dabei. »Morgen hole ich mehr.«
    Man mag es mir verzeihen – vor allem Grandtours, wenn er diese Zeilen liest – ich unternahm nichts dagegen. Nicht etwa, weil mir dieses Wesen Ferrais gefiel, sondern weil es sinnlos war, ihn davon zu überzeugen, daß Diebstahl etwas sehr Verwerfliches ist. Seine Mentalität war primitiv – ich stehle für meinen Herrn, damit er es gut hat. Alles andere interessierte ihn nicht. Und weil er für seinen Herrn und nicht für sich selbst stahl, war alles gut, was er tat. Ich konnte ihn ausschimpfen, ihn bedrohen, ihm Schläge geben – nach einer Stunde schlich er wieder zu mir und drückte mir irgend etwas in die Hand, was mir bestimmt sehr nützlich war, was man aber vielleicht zwanzig Meter weiter unter Schreien und Verwünschungen suchte. Vor allem Grandtours' Gepäck war eine Fundgrube für Ferrai. Der Gin und das Corned Beef kamen aus diesem Sack. Eines Tages brachte er mir eine kleine Silberplatte – ich suchte so etwas, um ein Gerät damit besonders hochempfindlich zu machen. Stolz legte er mir die kleine Silberplatte vor und lächelte.
    »Woher hast du denn das?« fragte ich, wirklich sehr verblüfft.
    »Von Offizier! Hatte im Gepäck silbernen Ring. Habe ihn im Feuer weich gemacht und mit einem Stein plattgeschlagen.«
    Lieber Grandtours, ich weiß, Sie suchen heute noch Ihren silbernen Siegelring. Er war ein Andenken an eine junge Liebe aus Ihrer Kadettenzeit. Sie erzählten mir einmal davon. Verzeihen Sie mir, daß ich bis heute nichts von dem Schicksal Ihres Ringes sagte – ich brauchte das Silber damals sehr dringend, und Ferrai, glauben Sie mir, er war ein Teufelsjunge.
    Am vierten Tag unserer Bohrreise entdeckte Ferrai einen flachen Sandhaufen. Es war ein Haufen wie viele in der Sahara, eine kleine Verwehung, vom Wind in Wellen gelegt wie das Haar einer blonden Frau. Wir hatten in der Nähe einen kleinen Bohrversuch gemacht – das schnell gebaute Stahlrohrgerüst stand noch im Sand, der Hohlbohrer stak noch in der Erde –, als Ferrai mit großen Schritten zu mir kam und mich wortlos mit sich in die Wüste zog. Vor einer flachen Mulde blieb er stehen und zeigte auf diesen Haufen Sand, der wie eine leicht geschwungene Düne aussah.
    »Arme Männer«, sagte Ferrai und senkte den Kopf. »Scheheli, Herr.«
    Ungläubig trat ich an die Düne heran und blickte mich um. Kaum noch erkennbar sah ich wirklich einige gebleichte Stoffetzen im Sand liegen, das Stück eines Kamelzaumzeugs, den Knauf einer Peitsche, wenige Lederstücke, durch die Hitze vertrocknet und bizarr gebogen.
    Ein Grab!
    Vorsichtig grub ich an einer Stelle mit dem kleinen Handspaten nach. Der lockere Sand rollte immer wieder nach, aber es gelang mir, ein Loch in die Düne zu schaufeln. Ferrai stand still daneben. Er rührte sich nicht – ob aus Angst vor den Geistern der Toten oder aus Scheu, die Ruhe eines Toten zu stören, ich weiß es nicht. Als ich auf eine Djellabah stieß, verneigte er sich gegen Mekka und betete murmelnd zu Allah.
    Ich grub den Toten nicht aus, ich schaufelte ihn wieder zu und stieß beim Werfen des Sandes auf ein Armband. Erschrocken bückte ich mich und nahm es auf, ein goldenes, schmales Frauenarmband mit dem

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