Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Gütestempel 585, glatt, ein wenig gewölbt, mit einer kleinen Sicherheitskette am Steckverschluß. Und in diesem Armreifen stand: B.K. Berlin.
    Berlin.
    Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag.
    Wenn hier ein Armband lag, wo war dann die Frau, die es getragen hatte? Sie mußte Deutsche sein … Ein wahnsinniger Gedanke durchfuhr mich. Ich dachte an meine Retterin in Oued el Ham – sie war plötzlich aus dem Hause Fuads verschwunden, niemand wußte, wo man sie hingebracht hatte. Sie sprach deutsch zu mir, und hier, in der Wüste bei El Golea, finde ich ein Armband aus Berlin.
    »Ferrai!« schrie ich. »Alle Soldaten sollen kommen! Schnell! Mit Schaufeln! Unter diesem Sand liegt ein wertvoller Toter!«
    Der Junge rührte sich nicht. Er starrte auf den Sandhügel und sah dann mich an. »Ist es ein Weißer?«
    »Ja. So lauf doch!«
    »Nein. Allah hat ihn bestraft.«
    Ich war erstarrt. Ich begriff den Sinn der Worte erst später, aber dann faßte ich Ferrai an der Schulter und riß ihn zu mir her. »Es ist eine weiße Frau! Auch ich bin weiß.«
    »Ja, Herr. Du auch. Aber du warst immer gut zu uns.«
    Dieser Satz erschütterte mich. Ich war gut zu ihnen und zog durch die Wüste, durch ihr Land, um es fruchtbar zu machen für europäische Siedler.
    Es war mir nicht möglich, Ferrai zu bestrafen. Aber er half auch nicht mit.
    Mit Schippen und improvisierten Schiebern wurden die kleinen Sanddünen weggeräumt.
    Alles gruben wir aus. Alles. Und das Grauen schüttelte uns.
    Kamele, den Kopf tief in den Sand gesteckt und von dem Sturm begraben.
    Eng an sie gedrückt, in die Djellabahs eingewickelt, die zum weißen Sarg wurden, die Araber.
    Erstickt. Überweht von dem feinen Sand des Scheheli.
    Und mitten unter ihnen eine Frauensänfte.
    Ich glaube, ich habe mich irrsinnig benommen. Ich bin zu ihr hingestürzt, habe den Vorhang aufgerissen und auf die sandigen Kissen geblickt. Die Sänfte war leer, keine der Leichen war eine Frau – sie fehlte in dem großen Grab, als habe der Sturm sie mitgerissen und an anderer Stelle in der Schweigsamkeit der Sahara verscharrt.
    Grandtours untersuchte die Leichen und richtete sich nach einer Weile auf. »Ein fremder Stamm«, sagte er ernst.
    »Und wie kommt das deutsche Mädchen aus Oued el Ham zu diesen Fremden?«
    Grandtours zuckte mit den Schultern und nahm das Armband in die Hand. Er betrachtete es genau und gab es mir dann zurück. »Woher wissen Sie, ob sie es war? Vielleicht haben die Kerle den Reifen gestohlen und der Frau geschenkt, die hier in der Sänfte saß und jetzt ohne Spur verschwunden ist. Es erscheint mir unmöglich, daß dieses Mädchen aus Oued el Ham innerhalb weniger Tage über fünfhundert Kilometer südlicher wieder auftaucht.«
    Ich ging zu meinem Bohrloch zurück, den Soldaten die traurige Arbeit überlassend, die Männer einzugraben und die Kamele den Aasgeiern und Schakalen oder der alles austrocknenden Sonne zu überlassen.
    Doch der Gedanke, daß das Mädchen in meiner Nähe war, verließ mich nicht. Auch heute glaube ich noch daran, wo ich wieder in Fort III bin und auch Prochaine mich auslachte. Ich bin zu oft ausgelacht worden, um mich darüber groß aufzuregen, und ich habe am Ende doch immer meine Meinung bestätigt gesehen.
    Aber was soll ich tun? Ich sitze hier in diesem dreckigen Fort und zeichne neue Karten. Ich schwitze, ich saufe – man kann es nicht mehr trinken nennen –, und ich vergehe vor Langeweile.
    Grandtours kam zu mir und gab mir wortlos einen Zettel. Es war ein Brief, ein kleines Stück von einem Brief, vergilbt von der Sonne, Bruchteile von Sätzen. Aber es war ein Schlag, von dem ich mich erst nach Stunden erholte.
    In einer geraden, klaren Handschrift, mit Blei geschrieben, stand auf dem Zettel: »Ich habe keine Hoffnung, Dich jemals wiederzusehen, Paul … Vier Tage sind wir unterwegs … Wenn ich sterbe, dann denke daran, was ich Dir … Suche ihn für mich, Du kennst die Wüste … Ich weiß, daß er lebt … Ich habe solchen Durst …«
    Ich starrte auf die abgerissenen Zeilen, meine Hand zitterte.
    Grandtours stand neben mir und legte mir die Hand auf die Schulter. »Sie haben recht, Doktor«, sagte er leise. »Sie war es wirklich. Wenn sie noch in unserem Bezirk ist, werden wir sie finden. Sie kann nicht weit gekommen sein, wenn sie vor dem Scheheli flüchtete.«
    Ich nickte. Ich glaube, ich habe gestöhnt – ach, ich weiß nicht mehr, was ich sagte, was ich tat, was alles in diesen Stunden geschah. Wir werden sie

Weitere Kostenlose Bücher