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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von diesem gebleichten, dreckigen Lehmhaufen. Auch die Legionäre meinen das; sie sind fahlgelb wie die Wüste, träge, unlustig und voll Sehnsucht nach Leben. Ich sah es deutlich, als die siebzehn Glücklichen sich verabschiedeten und mit dem Mannschaftswagen zurück nach Laghouat fuhren. Da stand das ganze Fort draußen auf dem Platz und winkte ihnen nach, und einer von ihnen, ein Deutscher aus Stuttgart, sagte leise zu mir: »Mensch, wenn ich dabei wäre, in drei Wochen wäre ich wieder in Deutschland.«
    Deutschland. Seit fünfzehn Jahren hörte ich diesen Namen wieder. Als ich ihn plötzlich nach fünfzehn Jahren aus einem deutschen Mund wieder hörte, krampfte sich mir das Herz zusammen. Ich ballte die Fäuste, um nicht plötzlich, aus einem ungeheuren Drang heraus, laut ›Deutschland‹ zu schreien.
    Prochaine nickte nur, als ich ihm das sagte. »Wenn ich an Orléans denke, an Paris oder an Lyon, dann könnte ich heulen«, sagte er zu mir und trank wieder seinen schrecklich scharfen Anisschnaps, von dem er behauptete, daß dieser, versetzt mit Perrier, ein vorzügliches Mittel gegen den Durst und die Hitze sei. Nach sechs Tagen sah ich selbst ein, daß Schnaps wirklich der einzige Trost gegen die Langeweile in Fort III war, eine Langeweile, die nervtötend war und körperlich zermürbend.
    Am nächsten Tag endlich traf aus Algier die Erlaubnis ein, mit einer Gruppe von fünfundzwanzig Mann und zwei Jeeps die Gebiete bis El Golea geologisch zu untersuchen und auch gegen den Widerstand der Araber Probebohrungen vorzunehmen, die meine Annahme bestätigen sollten, daß sich unter der Oberfläche der Sahara und über einer undurchlässigen Kreideschicht große Süßwasserseen gebildet hatten, die durch Grundflüsse immer wieder gespeist wurden.
    Grandtours leitete die kleine Expedition. Ich konnte mir keinen besseren Begleiter wünschen – er kennt das Gebiet wie seine Heimat, und das unerbittliche Feuer der Rache, das in ihm schwelte, machte ihn ausdauernd und unempfindlich gegen viele äußere Einflüsse, denen wir sonst erliegen.
    Auf fünf gleichlautenden Karten wurde unser Weg genau eingezeichnet. Es durfte keine Abweichung geben, denn in Bou Saâda, Laghouat, Algier und Ghardaia bekamen die Kommandanten der dort stationierten Truppen die Karte, um beim Ausbleiben unserer Funkverbindung sofort die Suche aufzunehmen.
    Einen Tag vor unserer Abreise kam ein kleiner Junge zu mir und bettelte. Er war ein nettes Kerlchen, mittelgroß, kräftig, eine Mischung von Berber und Tuareg. Er trat zu mir ins Zimmer, das zu ebener Erde zum Hof des Forts hin lag, und reckte seine schmale, schmutzige Hand vor mein Gesicht. »Mister, give me a penny.«
    Im ersten Augenblick lachte ich, doch dann sah ich ihn verblüfft an und zog ihn zu mir her. »Wo kommst du her?« fragte ich ihn auf arabisch.
    Er starrte mich an, wand sich aus meinem Griff und legte die Hand auf seinen Mund. »Du sprichst wie wir?« stotterte er. »Ich dachte, du bist ein Amerikaner.«
    »Woher kennst du denn die Amerikaner?«
    Er grinste und nestelte aus dem langen Hemd, das er als einziges Kleidungsstück trug, ein kleines Amulett hervor. Es war ein Anhänger aus den Billigläden New Yorks, eine Imitation aus verschossenem Dublee, geformt wie eine Rose und mit einem kleinen Scharnier. In diesen Amuletten konnte man kleine Bilder tragen oder sonstige Dinge, die im Aberglauben der Menschen Schutz vor Gefahr bieten. Ich nahm dem Jungen die kleine, billige Rose vom Hals und öffnete sie. Im Innern war ein Bildchen, vergilbt, schmutzig und unklar durch den eingedrungenen Flugsand. Eine junge Frau mit einem amerikanischen Puppengesicht sah mich an, und das Lächeln um ihre geschminkten Lippen war so unecht wie das ganze Amulett. »Woher hast du das?« fragte ich ihn scharf.
    Der Junge schrak zusammen und hob beide Hände. »Die Frau hat es nicht gemerkt«, sagte er leise.
    »Gestohlen?«
    »Es gefiel mir so. Und es glitzerte in der Sonne. Es war, als ob ich eine zweite Sonne in der Hand habe. Da habe ich es ihr in der Nacht weggenommen.«
    »Und die Frau hat es nie gesucht?«
    »Doch.« Der Junge grinste wieder. »Ich habe geholfen, es zu suchen. Aber wir haben es nicht gefunden.«
    Der Bengel gefiel mir. Er besaß die Frechheit, mit der allein man in der Wüste weiterkommt. Ich gab ihm deshalb einen Hundert-Francs-Schein und hielt ihn am Hemdausschnitt fest. »Wie heißt du denn?«
    »Ferrai, Herr.«
    »Ferrai? Das klingt ägyptisch.«
    »Meine Mutter war aus

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