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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das ist gemein und erbärmlich!« Dr. Djaballah ging zur Tür und blickte auf die anderen im Raum, die ihm stumm nachschauten. »Ich werde das Mädchen warnen«, sagte er fest. »Und ich werde es tun im Namen des Marabut, der auch von dir Gehorsam verlangt, Sidi Mohammed. Allah sei mit euch!«
    Er verließ das einsame Steinhaus und stand in der kalten Nacht. Er fror. Fester wickelte er sich in seine Djellabah und stampfte einen kleinen Weg hinauf, der rund um einen Felsen zu einer großen Wohnhöhle führte.
    Er blickte noch einmal zurück ins Tal und sah das Haus unter sich liegen. Durch einige Ritzen der Mauer drang schwacher Lichtschein. Der Mond über dem Gebirge war verhangen. Wolkenfetzen jagten nach Norden. Die Sterne waren merkwürdig blaß.
    Versonnen ging Dr. Djaballah weiter.
    Er kam nie in El Hamel an, um dem Marabut Bericht zu erstatten. Die Berge des Hoggars schwiegen, die tiefen Wadis, die rauhen Steine, der blasse Himmel.
    Niemand hat ihn mehr gesehen.
    Sidi Mohammed schwieg, als der Marabut ihn fragte. Nur seine blauen Augen waren verhangen, glanzlos, gefährlich. Die einzigen blauen Augen der Wüste …
    In dieser gleichen Nacht geschah etwas, woran niemand gedacht hatte. In Khennef Saids langgestrecktem Bauernhof bei Laghouat, hinter den hohen Schilfpalisaden, den Holzstapeln, Maisstrohschobern und Schuppen, hinter Graswällen und unter flachen, ungepflegten Dächern, lag auch der große, vergitterte Raum, in dem Hilde Sievert lebte. Man hatte sie nach siebentägigem Ritt in dieses Zimmer eingeschlossen, das sie nur in der Begleitung eines alten Dieners verlassen durfte, um in dem umgrenzten Garten spazieren zu gehen.
    Khennef sah sie seit dem Tage ihrer Ankunft in dem Gehöft nicht mehr. Er sprach nicht mit ihr, noch sagte er ihr, was sie zu erwarten hatte und warum er sie hier festhielt, statt sie zu den Europäern ins nahe Laghouat zu entlassen. Diese Ungewißheit zerrte an ihren Nerven. Sie saß wie bei Fuad am vergitterten Fenster und starrte in die Sonne und in den blühenden Garten hinaus, Bobo neben sich auf einem Hocker, und weinte.
    Sie kam sich wie ein wertvolles Tier vor, das man verkauft, bei der Flucht jagt und wieder einfängt und hinter goldene Gitter sperrt, wo es zur Freude des Besitzers lebt und sein Leid zur Lust der Betrachter trägt.
    Der alte Diener, ein verletzter Bauer, so nahm sie an, weil er sein rechtes Bein lahm hinter sich herzog, gab auf ihre Fragen keine Antwort. Er mußte die französische Sprache kennen, denn sie hörte ihn einmal mit einem Mischling außerhalb der Gartenmauer aus spitzem Schilf sprechen; aber wenn er zu ihr kam, spielte er den Stummen und Tauben und tat seine Arbeit leise, schnell und gewissenhaft.
    Auch den riesenhaften Neger sah sie wieder, der so gut singen konnte. Er hackte an einem Morgen Holz im inneren Hof und grüßte sie mit Nicken und breitem Grinsen, als sie ihm durch die Gitter zuwinkte näherzukommen. Doch er kam nicht.
    Der alte Bauer brachte auch das Essen. Es war einfach, aber reichlich, vor allem viel Obst bekam sie, und damit fütterte sie Bobo. Zu trinken erhielt sie Wasser und ab und zu etwas Limonade, die in einer kleinen Kanne, warm und klebrig, vor sie hingestellt wurde. Als sie den Alten bat, etwas zu lesen zu bringen, schien er es nicht zu verstehen, aber am nächsten Morgen lag neben dem Essen auch eine Zeitung auf dem hölzernen Tablett, eine zwar zehn Wochen zurückliegende Ausgabe der ›Temps Algérien‹, aber sie genügte, um Hilde mehrere Tage zu unterhalten. Sie las jede Zeile, lernte die Leitartikel auswendig, löste die Rätsel und beantwortete Anzeigen. So vertrieb sie sich die Langeweile und erhielt sich frisch und interessiert an den Dingen, die um sie herum geschahen.
    Der Hof gliederte sich in viele Schuppen und Ställe und ein Wohnhaus, in dem neben Khennef noch drei Frauen wohnten. Sie sah sie einmal alle drei zusammen über den Hof gehen, tief verschleiert, dick und mit watschelndem Gang. Und da war im Fenster ein Eisengitter, das ein wenig zur Seite gebogen war, so daß der Zwischenraum größer wurde und gerade so weit auseinanderklaffte, daß Bobo seinen geschmeidigen Körper hindurchpressen konnte.
    Ein paarmal, in der Nacht, ließ sie ihn durchschlüpfen und rief ihn leise wieder zurück. In der fünften Nacht aber schrieb sie mit einem dünnen, verkohlten Holzstift, den sie beim Spaziergang im Garten fand, auf eine Ecke der Zeitung: »Rettet mich! Ich bin bei Laghouat, bei dem Berber Khennef Said.

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