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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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damit erzielt wurde, bei geringem zeitlichem Aufschub. Plötzlich, als er sie auf den hier tragenden Schnee stellte, bei dem Eingang eines der Tunnels oder Schutzdächer – der schwarze Mund stand wie Samt in dem Weiß und Sternklar der Nacht und verschluckte die schwach glänzenden Bänder der Schienen wie abgeschnitten – vermißte sie ihren Schmuck. Er half ihr suchen, obwohl das im Schnee recht aussichtslos erschien. Aber sie fanden, ganz unnatürlicher Weise, keine dreißig Schritt von Ort und Stelle und schon nach wenigen Minuten alles beiein ander schwach glänzend auf der Schneedecke liegen. Dieses Opfer war also nicht angenommen worden, und der Ring des Polykrates kehrte gewissermaßen zurück.
Rauchzimmer und Billardsaal des Hotels hatten eine seitliche Tapeten-Türe, welche auf den Gang beinah genau gegenüber Grete Siebenscheins Zimmer sich öffnete. In jenen Lokalitäten nun, die beinah ausschließlich von Mannsbildern frequentiert wurden, konnte sich Gretes Halbgott auch nachts zu jeder Zeit aufhalten, da hier immer irgendwo ein Gelage oder eine Kartenpartie im Gange war und der reichlich in Erscheinung tretende Pjolter (wir würden das einen Punsch nennen, aber einen für Bären) allem gewissermaßen die Deutlichkeit nahm und jede Vigilanz vernebelte. Durch die Tapetentür, über den Gang und zu ihr hinein. Es mag sein, daß der Kapitän außer diesem der Grete auch sonst noch einiges zugemutet hat. In der dritten Nacht solcher Praktik fand er sie auf und am Tische. Sie wies ihm einen Stuhl. »Wir werden jetzt deutsch reden«, sagte sie (auch diese Sprache beherrschte er). »Wir werden jetzt deutsch reden«, sagte sie also, und der zwischen ihnen neue Klang veränderte mit einer wahren Übermacht alles, mochte auch der Kapitän das eigentlich Tendenziöse der Redensart gar nicht auffassen, wobei ja deutsch nur so viel wie deutlich heißt; vielleicht verstand er's bloß so, daß sie jetzt dieser Sprache sich bedienen wolle. Er sagte nichts und setzte sich auf den Stuhl. Im Zimmer war es etwas kühl, die Heizung ausgeschaltet, Grete noch vollständig angekleidet, das breite Bett von hellem Birkenholz geschlossen. »Sie werden«, setzte die Siebenschein fort, während ihr Hals sich über die Situation hinaus verlängerte und die Glaskörper ihrer Augen durchsichtiger erschienen, »morgen abend sowohl mit mir tanzen, in der Bar, als auch Konversation machen. Im übrigen aber hier Schluß. Meine Türe gedenke ich versperrt zu halten. Der Stil, in welchem Sie da mit dem Klavierfräulein sich was angefangen haben, ist mir aus Wien nicht bekannt und konveniert keinesfalls. Sollten Sie mich indessen später in Oslo besuchen wollen – ich fahre übermorgen zurück – so habe ich nichts dagegen.«
Sie hat ihm dann die Telephon-Nummer jenes früher erwähnten Zahnarztes gegeben. Er ist schweigend gegangen, obwohl's doch immerhin ein starkes Stück war, was sie da gespielt hatte; und er wäre vielleicht berechtigt gewesen ihr etwas zu sagen, im Rückblick etwa auf die Art der Einigung mit ihr bei den Schneetunnels vor ein paar Tagen, wo die glitzernde Nacht und die schwach schimmernden Schienen vom Samte verschluckt worden waren, während unweit davon der Schnee die bescheidentlichen Schmucksachen an seiner Oberfläche gegen den Himmel gehalten hatte – ein Bracelet von Gold und ein Anhänger mit gerissener Kette und ein Ohrgehänge mit Schräubchen, denn Gretes Ohrläppchen waren nicht durchbohrt. Aber der Kapitän sagte nichts, er ging und tat weiterhin, wie ihm geheißen worden war. Nur telephonisch angerufen hat er die Siebenschein in Oslo niemals. Sie hielt für möglich, daß es ihm nicht geglückt sein könnte, denn sie hatte auf dem Zettelchen eine Art Index-Zahl zu notieren vergessen, die damals in Oslo erfordert wurde, um eine Nummer zu erreichen. Jedoch war Grete auch ohne weiteres bereit anzunehmen, der Halbgott habe sich um sie einfach nicht mehr gekümmert; so hat sie selbst gesagt, als sie dem Kajetan von S. (die richtige Adresse!) ihre Geschichte erzählte. Das war acht Jahre später. Stangeler, der diesen Teil von Gretes Biographie genau kannte und überaus hochhielt(!), hat wegen ihrer Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber jenen Schmerz empfunden, den sie zu empfinden nicht vermochte. Und Eifersucht dazu (aber in bezug auf Kajetan, den er damals eben kennen gelernt hatte und nur deshalb, weil ihm solches erzählt worden war). Von einer so beschaffenen Helligkeit des Bewußtseins also

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