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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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Wohnung am Fasor gezogen – seit dem Weltkrieg hieß diese Straße übrigens ›Vilma királynő út‹ – welche Etel kas letzte Wohnung geworden ist, der letzte Raum in der zu durchblickenden Zimmerflucht ihres Lebens und schon recht weit entfernt von jenem kleinen Gemache, wo man einst des Omar Chajjâm tiefsinnige Verse las.
    Fraunholzer war um gut zehn Jahre älter wie Etelka und hatte als Konsul, bereits mit dem Dienstorte Konstantinopel, sich 1909 oder 10 mit einem Fräulein Küffer verheiratet; sie stammte aus der gleichen Wiener Bierbrauers-Familie, die wir flüchtig schon einmal als mit Mary K. befreundet erwähnten; man erinnert sich vielleicht, daß in den Jahren nach dem ersten Weltkriege Marys Kinder in Döbling draußen mit der jüngsten Küffer'schen Generation verkehrten, welchen Umgang die Familie Küffer gerne sah, denn die beiden K.s, so Bub wie Mädel, waren über den Durchschnitt begabt und vortrefflich gebildet und erzogen. Aus Fraunholzers Ehe stammten drei Kinder. In den Jahren nach dem Kriege ging äußerlich mit dem Konsul Fraunholzer eine Veränderung vor (vom Innerlichen und von den Veränderungen in seiner Ehe zu schweigen). Er wurde erheblich dicker, und das mußte so sein, denn Fraunholzer überstand 1919 eine schwere Lungenentzündung, und danach war eine Zunahme seines Körpergewichts dringendst geboten. Nun aber – dieses Dickerwerden, welches freilich noch kein unhübsches Embonpoint bedeutete, war von großem Vorteil für seine Erscheinung, einfach deshalb, weil er bisher zu mager gewesen war. René Stangeler, der ewige Gymnasiast, wenngleich damals schon auf dem Wege zum Doktor der Philosophie, ist es gewesen, der für Fraunholzer jenen Spitznamen aufgebracht hat, der dem späteren Generalkonsul dann geblieben ist und sein Exterieur vortrefflich bezeichnete: Pompejus. Fraunholzer, den René nach dem Kriege auf dem Landhause seiner Eltern kennen lernte, sah damals wirklich aus wie ein alter Römer, den man in das Kostüm unserer Zeit gesteckt hat: der energische gedrungene Kopf nicht ohne edlen Schnitt, sonderlich von der Seite gesehen, das dunkle krause Haar, breite Schultern, eine untersetzte Gestalt. Seine Stimme war allerdings meist etwas heiser, aber auch dies paßte irgendwie zu ihm, oder man hatte sich vollends daran gewöhnt. Der alte Stangeler schätzte Fraunholzer sehr und unterhielt sich in seinem Schreibzimmer oft stundenlang mit ihm. Hierher gehört nun der Aspekt, unter welchem Fraunholzers Beziehungen zu dem Ehepaar Grauermann bei den meisten Menschen standen – ob der alte Herr von Stangeler auch zu diesen gehörte, bleibe hier offen, denn seine mitunter gleichsam witternd emporgezogenen Nasenflügel verrieten in allen Fällen, daß ihm die wesentliche Schwerpunktslage menschlicher Verhältnisse und Beziehungen kaum irgendwo verborgen blieb … Wie immer, bei den Meisten jedoch wurde der spätere Generalkonsul in Belgrad seit jeher als älterer Protektor Grauermanns im Bewußtsein verankert und evident gehalten. In der Tat hatte sich Fraunholzer des jungen Grauermann gleich angenommen, als dieser in der Eigenschaft eines Konsular-Attachés nach Konstantinopel gekommen war, und das ohne ihn vorher mehr als ganz flüchtig gekannt zu haben; auf der Akademie zu Wien waren Fraunholzer und Grauermann, zwischen denen ein Unterschied des Lebensalters von zwölf Jahren lag, niemals gleichzeitig gewesen. Von den damaligen Akademikern war es nur Teddy Honnegger, der zu Fraunholzer eine Verbindung und sogar eine sehr enge hatte. Jedoch stammte diese freilich auch nicht aus der Akademie sondern kam aus weit älterem Ursprung: die beiden waren Freunde seit der Gymnasialzeit Honneggers, während welcher der spätere Generalkonsul sich schon dem Abschlusse der Akademie näherte. Das ist ein verhältnismäßig sehr seltener Fall; noch bemerkenswerter dabei erscheint, daß zwischen ihnen ein durchaus wechselseitiges Respektsverhältnis von Anfang an geherrscht hatte, auch vom Älteren zu dem um so viel Jüngeren hin. Es hat Teddys Vater, ein höherer Beamter des Außenministeriums, die Freundschaft mit dem gescheiten Robert immer gerne gesehen. Fraunholzer nun dürfte zu Konstantinopel Gefallen gefunden haben an der frühen Entfaltung einer tüchtigen Anlage praktischer Klugheit bei unserem Grauermann, und es ist für diesen sicher von bedeutendem Vorteile gewesen über die Verhältnisse dortamts – um diesen fast unappetitlich-schönen Ausdruck zu gebrauchen! – durch einen

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