Die stumme Bruderschaft
schaltete sich Ismet erneut ein. »Ich hatte noch nicht einmal Zeit, meinen Onkel zu fragen, wo ich schlafen soll. Könnten Sie nicht ein anderes Mal wiederkommen?«
Pietro machte Giuseppe ein Zeichen. Sie verabschiedeten sich und verließen die Wohnung.
»Was für einen Eindruck hast du von diesem Neffen?«
»Ich weiß nicht, scheint ein netter Junge zu sein.«
»Vielleicht haben sie ihn geschickt, damit er seinen Onkel überwacht.«
»Ach was! Wir sollten nicht anfangen, Gespenster zu sehen. Ich glaube, du hast Recht, Sofia und Marco steigern sich da in etwas hinein, obwohl Marcos Spürnase … Aber mit dem Grabtuch, das ist eine fixe Idee.«
»Gestern hast du mich nicht unterstützt, als ich das gesagt habe.«
»Was nützt es zu diskutieren? Wir tun, was man uns befiehlt. Wenn sie Recht haben, okay, an die Arbeit. Wenn nicht, auch egal. So oder so haben wir zumindest versucht, diese verfluchten Brände aufzuklären. Ein bisschen ermitteln kann in jedem Fall nicht schaden, aber bloß kein Stress, immer mit der Ruhe.«
»Ich bewundere deine Coolness. Man könnte meinen, du bist Engländer und kein Italiener.«
»Und du gehst bei allem gleich hoch. In der letzten Zeit fängst du wegen jeder Kleinigkeit Streit an.«
»Ich habe den Eindruck, das Team ist auseinander gebrochen, es ist nicht mehr wie früher.«
»Natürlich ist das Team auseinander gebrochen, aber es wird wieder zusammenfinden. Sofia und du, ihr seid schuld daran, ständig diese Spannungen, wenn ihr zusammentrefft, als würde es euch Spaß machen, euch zu widersprechen. Wenn sie« a »sagt, sagst du« b », und ihr schaut euch an, als wolltet ihr euch jeden Moment an die Gurgel gehen. Marco hat Recht, es ist ein Fehler, Arbeit und Bett zu vermischen. Ich will offen zu dir sein: Wegen euch fühlen wir uns jetzt alle unwohl.«
»Ich habe dich nicht gebeten, so offen zu mir zu sein.«
»Ja, aber ich wollte es dir sagen, und jetzt ist es heraus.«
»Schön, die Schuld liegt bei Sofia und bei mir. Was sollen wir machen?«
»Nichts. Ich denke, das geht vorbei. Sie wird uns verlassen. Wenn der Fall abgeschlossen ist, verschwindet sie, das ist nicht mehr ihre Kragenweite. Sie kann zu viel, um den Rest ihres Lebens hinter Dieben herzurennen.«
»Sie ist eine außergewöhnliche Frau.«
»Komisch, dass sie sich mit dir eingelassen hat.«
»Das hat gesessen, danke!«
»Ach! Man muss akzeptieren, wer man ist, und du und ich, wir sind zwei einfache Polizisten. Wir haben nicht ihre Klasse, und auch nicht ihre Bildung. Wir sind auch nicht wie Marco, der hat studiert, und das merkt man. Ich bin zufrieden mit dem, was ich bin und erreicht habe. Für das Dezernat für Kunstdelikte zu arbeiten, ist ein Vergnügen, und man ist wer.«
»Deine Offenheit geht mir langsam auf die Nerven.«
»Junge, dann halte ich jetzt den Mund, ich dachte, du könntest die Wahrheit vertragen.«
»Jetzt hast du sie mir gesagt, also lass mich in Frieden. Wir fahren jetzt ins Hauptquartier und bitten Interpol, die Türken sollen uns Informationen über diesen Neffen schicken, der bei Turgut aufgetaucht ist. Aber vorher könnten wir noch mit Pater Yves sprechen.«
»Warum? Der ist doch nicht aus Urfa.«
»Sehr witzig. Also dieser Priester …«
»Hast du jetzt den Priester auf dem Kieker?«
»Red keinen Blödsinn. Wir gehen zu ihm.«
Pater Yves empfing sie sofort. Er war gerade dabei, eine Rede vorzubereiten, die der Kardinal am folgenden Tag bei einer Zusammenkunft mit Äbtissinnen halten sollte. Reine Routine, wie er sagte.
Er fragte sie nach dem Stand der Ermittlungen, aber offensichtlich mehr aus Höflichkeit als aus Interesse, und er versicherte ihnen, mit dem neuen Brandschutzsystem werde es keine Vorfälle dieser Art mehr geben.
Sie unterhielten sich eine Viertelstunde, aber weil es nichts Neues gab, verabschiedeten sie sich schon bald wieder.
44
Der Tempelritter gab dem Pferd die Sporen. Er konnte den Guadiana und die Zinnen der Festung von Castro Marim schon erkennen. Er war fast ohne Pause von Paris aus durchgeritten, wo er ohnmächtig der Opferung des Großmeisters beigewohnt hatte.
Die tiefe Stimme Jacques de Molays, wie er Philipp den Schönen und Papst Clemens dem Urteil Gottes anheim gab, hallte in seinen Ohren wider. Er hatte keinen Zweifel, dass der Herr Gerechtigkeit walten und das Verbrechen nicht ungesühnt lassen werde.
Jacques de Molay hatte man das Leben genommen, aber nicht die Würde, nie war jemand würdevoller und tapferer in den Tod
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