Die Stunde der Gladiatoren
Skandale und Affären, Herr! Das ist es, worüber sich die Leute die Köpfe heià reden wollen.« Der Zypriote war kaum zu bremsen. »Hier, Dominus!«, ereiferte er sich und wedelte mit einer Papyrusrolle, die, wie Varro wusste, das sechste Buch der âºAnnalenâ¹ des Tacitus enthielt. »Ich zitiere: âºVon seinen Ausschweifungen lieà Tiberius in keiner Weise ab, obwohl sich sein Gesundheitszustand verschlechterte.â¹ Das ist der Stoff, aus dem der Erfolg eines Literaten gewoben wird! Das ist es, worüber sich der Pöbel das Maul zerreiÃt! Gib ihm schlüpfrige Geschichten, gib ihnen Kaiserinnen wie Messalina und Poppaea, und du kannst sicher sein, dass dein Werk reiÃenden Absatz findet.«
»Zu deiner Information, Antigonos: Es geht hier um Geschichte, nicht um Geschichten.« Varros Miene verfinsterte sich. »Ich finde, eine Nymphomanin wie die Gattin des Claudius oder eine Ehebrecherin, die das Pech hatte, an einen Wahnsinnigen zu geraten, haben in einem seriösen Werk nichts verloren.« Varro besann sich und ergänzte: »Sagen wir mal, nicht viel!«
»Nun, was die Eskapaden der Mächtigen angeht, hat sich in den letzten 250 Jahren wenig geändert.«
Hellhörig geworden, hielt Varro inne. »Was willst du damit sagen?«
»Ich?«, ruderte der Zypriote zurück, wohl wissend, dass er zu weit gegangen war. »Gar nichts!«
»Raus mit der Sprache â worauf spielst du an?«
»Auf Gerüchte, welche derzeit die Runde machen«, gab Antigonos zurück und hantierte umständlich an seinem Schreibgriffel herum. »Falls du verstehst, was ich meine, Herr.«
»Nein.«
»Es heiÃt, dass die ⦠nun, es heiÃt, die Kaiserin setze ihrem Gemahl Hörner auf.«
»So, heiÃt es das!«
»Bei allem gebührenden Respekt, Herr: Ich gebe nur wieder, was man sich erzählt.« Der Zypriote, über dessen Lidern die Brauen wie Unkraut hervorwucherten, gab ein verlegenes Räuspern von sich. »Naja, die Kaiserin ist ja auch über 20 Jahre jünger.«
»Mag sein. Aber das heiÃt doch noch lang nicht, dass â¦Â«
»Verzeih, dass ich dich schon wieder unterbreche, Herr. Was ich damit sagen will, ist: Frauen in ihrem Alter gelüstet es eben nach Zerstreuung. Und hin und wieder nach ein wenig Abwechslung.«
»Abwechslung â so nennt man das also!«
»Wie gesagt, Herr: Ich tue nur kund, was an Gerüchten die Runde macht.«
»Und was erzählt man sich noch?«
»Dass der Imperator Cäsar Flavius Constantinus, der gewaltige, fromme und glückliche Augustus, auch nicht den Schimmer einer Ahnung hat.« Der Verwalter, fast zwei Köpfe kleiner als sein Brotgeber, setzte ein anzügliches Grinsen auf. »Kein Wunder, hat ja genug mit sich selbst zu tun.«
»Deine Ironie kannst du dir sparen!«, fuhr Varro ihn an, während sein Blick das opulente Wandgemälde streifte, welches die Längsseite des Studierzimmers einnahm. Es zeigte die Geburt der Venus, deren Züge, so stand zu vermuten, an eine der zahlreichen Geliebten seines Vaters erinnerten. Der Herr Senator hatte eine Vorliebe für so etwas gehabt, ganz anders als sein Sohn, welcher sich viel lieber mit Literatur beschäftigte. Mit Venus, der Liebesgöttin, konnte Varro ohnehin wenig anfangen, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn. Ein Grund mehr, dachte er insgeheim, das Gemälde samt Muschel und auf Delfinen reitenden Putten übermalen zu lassen. »Oder denkst du, es macht SpaÃ, das Imperium zu regieren?«
»SpaÃ? Nein, Dominus, Spaà macht die Sache ganz bestimmt nicht. Hier die Barbaren, welche nur darauf warten, dem Reich den Garaus zu machen, dort die Rivalen, welche einem beim Griff nach der Macht im Wege stehen â nein, Herr, wenn ich ehrlich bin, möchte ich nicht in seiner Haut stecken!«
»Was ist dir lieber, Antigonos â ein halbes Dutzend Prätendenten, die nach der Krone greifen oder ⦠oder â¦Â«
»Da kommst du ins Grübeln, was, Dominus?« Der Zypriote konnte seine Genugtuung nicht verbergen. »Schon gut, schon gut â ich weiÃ, was du sagen willst: So wie vor drei Jahren, als es sieben Kaiser gab, möchte niemand mehr leben. Krieg, Krieg und abermals Krieg, nichts Schöneres, als wenn endlich Schluss damit wäre!«
»Na also, dann sind wir uns ja
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