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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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da presste sie ihn auch schon zusammen. Die Wassermassen, welche sich über sie ergossen, erstickten jeden Laut im Keim. Schreien, um Hilfe rufen, um Gnade bitten, um Erbarmen flehen – all das war nutzlos, sinnlos, aussichtslos. Mit einem Wort: Sie war verloren.
    Niemand würde sie hören.
    Mehr noch, man wollte sie nicht hören.
    Â»Na, wie gefällt dir das?« Nach Luft ringend, tat Berenike, Vertraute der Kaiserin, genau das, was jeder in ihrer Situation getan hätte: Sie versuchte ihre Arme zu bewegen, strampelte, zappelte, wippte, zerrte und zog – vergebens. Es gab kein Entkommen. Hier waren Fachleute am Werk. Die Fesseln, mit denen man sie festgebunden hatte, erfüllten ihren Zweck. Umschlossen ihr Handgelenk, den Hals, die Füße. Schnitten ihr ins Fleisch, schmerzten, dass sie hätte schreien können. Verhinderten, dass sie sich aufbäumte. Machten sie wehrlos und hielten sie fest.
    So fest, dass sie sich kaum rühren konnte.
    Â»Noch mehr?« Berenike verneinte, das heißt, sie bildete es sich ein. Drang doch kein Laut, nicht einmal ein Wimmern, über ihre Lippen. »Dann lass dir das eine Lehre sein!«
    Stumm vor Entsetzen rang die Nubierin nach Luft. Als Kind, mit vier oder fünf, war sie beim Spielen in den Nil gefallen, unweit des Dorfes, in dem sie geboren und aufgezogen worden war. Ihr Bruder, ein exzellenter Schwimmer, hatte sie herausgezogen, ihr und zwei Mädchen, mit denen sie eine Bootspartie unternommen hatte, das Leben gerettet. Und Mutter? Nun, die war zunächst erleichtert, aber kurz darauf wieder so gewesen, wie jeder, der mit ihr zu tun hatte, die Frau des Dorfschulzen kannte: streng, beherrscht – und kaltherzig. »Lass dir das eine Lehre sein!«, hatte sie gesagt. Barsch, brüsk und emotionslos. Emotionslos wie der Mann, der dafür gesorgt hatte, dass ihr eine Kapuze über den Kopf gestülpt und jede Aussicht, sich zu rechtfertigen, verweigert wurde.
    Â»Ich höre.«
    Jener Mann, an dessen Tonfall man den passionierten Menschenschinder erkannte, schrie sie nicht etwa an. Ja, er hob nicht einmal die Stimme. Er flüsterte, als teilten er und sie, die ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, ein Geheimnis. Etwas, das außer ihr und ihm niemand erfahren, das, sofern sie bereit war zu reden, unter ihnen blieb und das fensterlose Verlies nicht verlassen durfte.
    Etwas, das für fremde Ohren ungeeignet, wenn nicht gar höchst gefährlich war.
    Â»Was … was willst du von mir?«
    Â»Als ob du das nicht längst wüsstest, Hexe.«
    In Erwartung der Flut, welche sich unweigerlich entladen würde, rang Berenike nach Atem, sog die Luft, welche sie erhaschen konnte, wie eine Ertrinkende ein. ›Hexe‹! Daher wehte also der Wind. Daher also die Behandlung, der sie ausgesetzt war, das Verhör, die menschenverachtende Tortur. Deswegen also ihre Entführung und die Kapuze über ihrem Gesicht. Eigentlich hätte sie es sich denken können, gerade sie, die im Ruf stand, Schwarze Magie zu betreiben.
    Berenike atmete geräuschvoll aus. Nun gut, ganz unschuldig war sie diesbezüglich nicht. Erst neulich war da diese Frau gewesen, ratlos, verzweifelt und am Ende ihrer Kraft. Wie so viele, die von ihren Männern geschlagen, tyrannisiert, betrogen oder links liegen gelassen wurden. Ihr Mann, ein Wachsoldat, hatte sie verprügelt, nicht nur einmal, sondern beinahe jeden Tag. Diese Frau, von der sie nicht einmal den Vornamen kannte, hatte sie um Hilfe angefleht. Auf Knien und unter Tränen. Im Grunde hatte Berenike keine Wahl gehabt, hatte um Haare und Fingernägel des Ehemannes gebeten, eine Puppe aus Mehlteig gebacken, Zauberformeln eingeritzt, das Ganze mit Wachs versiegelt und die Götter der Unterwelt, allen voran Hades, um Hilfe gebeten. Auf dass er den Unhold, der seine Frau zugrunde richtete, zu sich holen möge.
    Â»Wie kommst du eigentlich darauf, dass ich eine Hexe bin?«
    Â»Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor.« Aus den Worten, die wie aus weiter Ferne an ihr Ohr drangen, konnte man eine gehörige Portion Spott heraushören. Hohn und die Genugtuung, welche ihr Peiniger zu verspüren schien. »Hier geht es nicht um Zauberei, sondern um Verrat. Um Hochverrat .«
    Wieder bei Atem, begann es in Berenike zu arbeiten. Hochverrat . Das also war der Grund, weshalb sie verschleppt, gefoltert und an den Rand des Wahnsinns getrieben

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