Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
Zielscheibe - er hatte zwei kleine Löcher in der Nähe der Mitte geschossen, innerhalb des schwarzen Kreises.
»Jetzt versuch du es.« Er reichte mir das Ding.
Ich nahm es, als sei es lebendig und könnte mich beißen. Seufzend stand Ben hinter mir, schloss seine Hände um meine und lenkte meine Bewegungen, zeigte mir, wie man das Ding hielt: rechte Hand am Griff, linke Hand als Stütze darunter. Unsere Körper waren eng aneinandergepresst.
Okay, der Teil war irgendwie sexy.
»Versteif die Arme nicht«, sagte er an meinem Ohr. »Entspann dich. Jetzt atme aus, spann den Abzug …«
Der Abzug war überaus empfindlich, und es fühlte sich an, als bewegte er sich nur einen Millimeter, bevor es klickte und die Waffe in meiner Hand hochgerissen wurde. Bumm, laut wie eine Explosion, die ich bis ins Knochenmark spürte. Es kribbelte in meinem ganzen Arm. Mein Herz schlug rasend schnell, ohne wirklichen Grund.
»Hey, ich glaube, du hast sogar die Zielscheibe getroffen!« Er zeigte auf einen weißen Riss am Rand des Papiers, weit außerhalb des schwarzen Kreises.
»Ich glaube nicht, dass ich überhaupt gezielt habe.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich die Waffe.
»Ach, echt?«, sagte er sarkastisch. »Versuch es noch mal.«
Er ermahnte mich erneut, am Visier entlang zu zielen, doch diesmal führte er mich nicht. Ich war auf mich allein gestellt. Ich schoss. Meine Arme zitterten wieder, doch diesmal war ich darauf vorbereitet. Wieder traf ich die Zielscheibe, aber nicht den schwarzen Kreis.
»Noch mal.« Also tat ich es, wieder und wieder und wieder. Ich verbrauchte vier Magazine, jeweils fünfzehn
Schuss, sodass ich inmitten eines Haufens von Messinghülsen stand. Ich gewöhnte mich an den Lärm, an die Art, wie die Schüsse meine Arme durchrüttelten. Und genau darum ging es.
Beim letzten Magazin traf ich den schwarzen Kreis mit jedem einzelnen Schuss. Widerwillig bewunderte ich mein Werk. Auf so etwas wollte ich nicht stolz sein.
Ben verschränkte die Arme und nickte. Anscheinend war er zufrieden. »Jetzt hol das Magazin raus. Überprüf das Patronenlager, stell sicher, dass es leer ist.«
Gehorsam tat ich es, als sei ich Soldatin in der Grundausbildung.
»Und, fühlst du dich nicht besser?«, erkundigte er sich. »Nein. Können wir jetzt gehen?«
Im Wagen fragte ich: »Du wirst doch wohl nicht von mir verlangen, dass ich ständig eine Waffe bei mir trage, oder?«
»Noch nicht. Erst muss ich dir einen Waffenschein besorgen.«
Ich hatte einfach keine Chance.
Die Woche verbrachte ich in der Arbeit damit, mich um die Auswirkungen der Sendung vom Freitag zu kümmern, in der ich Amerikas ersten Vampirpromi vorgestellt hatte. Mittlerweile tat ich es verbittert, da ich es mit einer intriganten Spielerin anstatt einer freundlichen Bühnenkünstlerin zu tun hatte. Obgleich ein paar Anrufe der Agenten von Leuten, die der zweite Vampirpromi werden wollten, schrecklich faszinierend waren … Das Ganze hatte Potenzial für eine Reality-TV-Sendung.
Ich hatte weder den Waffenschein noch die Kanone, als ich auf dem Parkplatz vor der Arbeit entführt wurde.
Wenn man nicht gefunden werden möchte, sollte man den Weg zwischen Arbeit und Wohnsitz variieren. Die Abfahrtszeit sollte nicht vorhersehbar, der eigene Zeitplan unberechenbar sein. Man sollte sich ein Postfach beschaffen, die eigene Adresse geheim halten. Nicht im Telefonbuch stehen.
Doch bei KNOB konnte mich jeder finden. Sie warteten nach Einbruch der Dunkelheit auf mich.
»Hi Süße. Echt tolle Sendung.«
Ich hörte und roch sie gleichzeitig. Meine Nasenflügel weiteten sich, sobald ich ins Freie trat und die Nachtluft einatmete. Sie war kalt, sie hatte keinen Herzschlag - eine Untote. Vampir. Mit verschränkten Armen lehnte sie an der Mauer gleich neben der Tür. Ihre dichten braunen Haare waren zu einem wilden Pferdeschwanz zusammengebunden, ihre glatte Haut hatte einen Porzellanteint. Sie trug ein schwarzes Spitzenmieder, Lederhose und schwarze Stiefel mit hohen Absätzen. Und eine Sonnenbrille. Die roten Lippen hatte sie zu einem Lächeln verzogen.
Sie war nicht von hier. Die Vampire in Arturos Clan besaßen mehr Stil und sahen weniger nach Punkklischee aus.
»Wer zum Teufel bist du?«, fragte ich ruhig und voller Argwohn.
»Sie gehört zu mir.« Der Kerl tauchte einfach hinter mir auf, an der anderen Seite des Eingangs an die Mauer gelehnt. Er hatte die gleiche blasse Haut, stachelige schwarze
Haare und eine Sonnenbrille. Lederjacke, T-Shirt,
Weitere Kostenlose Bücher