Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
Anruferkennung, und das Herz schlug mir bis zum Hals. Es war Dad.
»Hi Dad? Was gibt’s?«
Wie ich befürchtet hatte, sagte er: »Die Untersuchungs - ergebnisse sind da.« Seine Stimme klang ernst, erschöpft. Schlechte Nachrichten, ich machte mich auf schlechte Nachrichten gefasst. »Es ist positiv. Bösartig. Sie geht heute Nachmittag ins Krankenhaus, um mit dem Arzt zu sprechen.«
»Soll ich vorbeikommen? Möchtet ihr, dass ich vorbeischaue? Was kann ich tun?«
Nichts. Nichts als herumsitzen und mir Sorgen machen.
»Ich begleite sie zum Arzt, aber wenn du zum Abendessen kommen könntest, wäre das wohl gut. Ich glaube, es würde helfen.«
»Wirklich?«
Er seufzte. »Ich weiß es nicht. So etwas kommt täglich vor - aber es fühlt sich an, als seien wir die ersten Menschen
im ganzen Universum, die damit fertig werden müssen. Ergibt das irgendwie Sinn?«
»Ja, tut es. Soll ich unterwegs was besorgen? Chinesisch? Pizza? Bloß damit niemand kochen muss.«
»Sicher, das klingt fantastisch. Wie wäre es mit sechs Uhr?«
»Ich werde da sein. Danke für den Anruf, Dad.«
»Bis später.«
Ich legte auf und begann zu weinen.
Ben arbeitete an einem neuen Fall und bat, am Abend zu Hause bleiben zu können. Cheryl sagte das Essen auch ab. Eines ihrer Kinder war erkältet, Mark kam heute erst spät aus der Arbeit, sie wollten auf keinen Fall zur Last fallen. Unmengen Ausflüchte. Doch ich fragte mich: Wer von uns beiden drückte sich da nun vor ihrer Kindespflicht?
Ich traf mit einer Tüte voll chinesischem Take-away-Essen und fröhlicher Laune in meinem Elternhaus ein.
Als Mom mir die Tüte abnahm, fragte ich schon: »Was hat der Arzt gesagt? Was wird passieren?« Ich hatte sie noch nicht einmal begrüßt. Sie war wieder so schick zurechtgemacht, wie man sie kannte: in modischer Bluse und Baumwollhose mit genau der richtigen Menge Schmuck und Make-up. Doch sie wirkte gequält.
»Essen wir erst einmal«, sagte sie. Sie lächelte nicht.
Dad kam aus der Küche und umarmte mich - was er sonst nie tat, jedenfalls nicht einfach so. Sein Gesicht war bleich, und er war ebenfalls ernst. Schweigend stellten wir drei Teller auf den Tisch, taten uns Reis und die chinesischen Wokgerichte auf und fingen zu essen an.
Es war die aufreibendste Mahlzeit, die ich je zu mir nahm. Wobei ich ehrlich gesagt ohnehin kaum etwas hinunterbekam.
»Wie läuft es in der Arbeit?«, fragte Dad nach einer Weile. Seine Standardfrage.
Ich schwafelte vor mich hin, fest entschlossen, etwas gegen das grimmige Schweigen zu tun. Es war definitiv ein aufregendes Wochenende gewesen, selbst wenn ich Carl und Meg, jegliche Vampirpolitik und den Schießunterricht ausließ und mich an die bevorstehende Veröffentlichung meines Buches hielt und außerdem erzählte, wie großartig es war, dass ich die Nachricht von Mercedes Cooks Vampirismus hatte bekanntmachen können. Da ich so viel redete, schob ich mein Essen auch nur auf dem Teller herum, ohne es zu verzehren. Mom und Dad taten das Gleiche. Wenn wir so weitermachten, würden die Reste eine Woche reichen.
Mom schob ihren Teller als Erste von sich, und Dad und ich folgten dankbar ihrem Beispiel.
»Jim, würdest du bitte abräumen? Dann können Kitty und ich uns unterhalten.«
Statt einer Antwort küsste er sie auf die Wange - eine Art Kommunikationssteno nach fünfunddreißig guten Ehejahren - und sammelte die Teller ein. Mom nahm mich bei der Hand und führte mich ins Wohnzimmer. Wir setzten uns nebeneinander auf das Sofa.
»Okay«, sagte ich und versuchte, tapfer zu sein. »Wie schlimm ist es?«
»Es ist ein bisschen schlimmer, als wir dachten. Sie haben nicht den ganzen Krebs entfernt. Er ist invasiv.«
»Was bedeutet das?« Und wie konnte sie so gelassen bleiben?
Stoisch zuckte sie mit den Schultern. »Das bedeutet lediglich, dass die Lage ein wenig ernster ist. Ich muss noch einmal operiert werden. Sie wollen Lymphknoten entnehmen, um sie untersuchen zu können. Wenn es sich ausgebreitet hat, brauche ich vielleicht sowohl Chemoals auch Bestrahlungstherapie. Ich werde ein bisschen länger ein bisschen kränker sein. Die Prognose ist gut, sie ist immer noch gut.« Ihr Lächeln wirkte angespannt und aufgesetzt. Die Kraft positiven Denkens und so weiter. Man musste optimistisch bleiben. »Sie empfehlen eine aggressive Behandlung, und sie wollen gleich damit anfangen. Das würde eine weitere Operation in einer Woche oder so bedeuten.«
Die Worte blieben mir im Hals stecken. »So bald
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