Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
wahrscheinlich würde er sich ihr gegenüber bis an alle Ewigkeit als Herr aufspielen. Nun konnte er sie nach Lust und Laune betrügen. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
»Wir sind noch zwei Mal ausgegangen. Und dann hat er es mir erzählt. Er hat mir gesagt, was er ist. Ich … ich habe ihm zuerst nicht geglaubt. Dass es Werwölfe wirklich gibt, weiß ich. Ich habe dich damals im Fernsehen gesehen und die Geschichten in der Zeitung gelesen. Aber ich habe nicht gedacht, dass ich jemals wirklich einem begegnen würde. Ich habe es für eine verrückte neue Anmache gehalten, dass er versucht, mich zu beeindrucken. Ich habe gedacht, dass er vielleicht wahnsinnig ist. Aber ich habe mitgemacht, um zu sehen, was passieren würde. Ich habe ihm gesagt, wenn er wirklich ein Werwolf sei, solle er es mir zeigen. Das wollte er nicht, jedenfalls zuerst nicht. Er hat bloß davon erzählt, jedes Mal ein bisschen mehr. Aus seinem Mund klang es richtig cool, wirklich toll. Als würde es einen mächtig werden lassen, und der Sex sei fantastisch, dass man Dinge riechen und sehen und fühlen kann, die den Menschen verborgen bleiben. Er ließ es wie etwas Gutes klingen. Und letztlich habe ich Ja gesagt, okay, ich mach es. Er war so glücklich, als ich einwilligte. Da habe ich wirklich geglaubt, dass er mich liebt, ich habe wirklich gedacht, er wollte, dass wir zusammen sind. Ich wusste nichts von Meg oder dem Rudel oder von sonst etwas. Danach, als er mich zu ihnen gebracht hat, hat Meg gemeint, er wollte bloß ein neues Junges.«
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich setzte mich zurück und starrte an die Decke, nahm mir einen Moment Zeit, um wieder zu Atem zu kommen. Jenny war jung, blond, hatte etwas von einem herrenlosen Kind - genau wie ich, als ich zu dem Rudel gestoßen war; ein naives Mädchen, das von einem Monster auf einem Wanderweg in den Bergen erwischt worden, das zufällig zu einem Werwolf gemacht worden war. Es war nicht Carl gewesen, der mich zu diesem Etwas gemacht hatte, doch er hatte sich anschließend für mich zu interessieren begonnen. Hatte mich sozusagen unter seine Pfoten genommen. Jeder wusste, dass ich ihm gehörte. Anscheinend hatte Carl nach meinem Weggang einen Ersatz gefunden.
Ich würde ihn umbringen. Wenn ich ihm das nächste Mal begegnete, würde ich ihn verdammt noch mal umbringen.
Im Moment musste ich so tun, als machte ich gerade die Sendung, als hätte ich ein armes verstörtes Mädchen am Telefon. Ich war nicht daran gewöhnt, das Gesicht vor mir zu haben und die Tränen zu sehen. Am liebsten hätte ich weiter die Decke angestarrt. Doch das tat ich nicht.
»Du weißt, was ich sagen werde, nicht wahr? Es gibt nicht den geringsten Grund, bei ihm zu bleiben. Missbrauch bleibt Missbrauch, und bloß, weil ihr beide Werwölfe seid, rechtfertigt das nicht das Geringste. Du brauchst ihn nicht zu konfrontieren - setz dich einfach in ein Auto und verschwinde .«
»Aber ich würde woanders bloß die gleichen Probleme haben. Carl sagt immer, egal, wohin ich gehe, es wird dort andere … andere Leute wie uns geben, und dass sie mich
umbringen werden. Er wird mich beschützen, er sagt, er wird …«
»Carl weiß nicht alles. Es gibt Orte, an die du gehen kannst«, sagte ich. »Orte, an denen die anderen Wölfe dir nichts tun werden, wo es überhaupt keine Wölfe gibt. Ich werde ein paar Leute anrufen. Ich arrangiere etwas.«
»Kitty, ich kann nicht. Ich habe kein Auto. Ich habe keinen Job, ich habe kein Geld …«
»Carl hält dich aus, nicht wahr? Er hat gesagt, geh nicht arbeiten. Mach nichts. Ich werde mich um dich kümmern, ich werde dich beschützen. Tu einfach, was ich sage, und dir wird alles geboten.«
Erneut nickte sie. Das gleiche Angebot hatte er mir gemacht. Stattdessen hatte ich mich an mein Menschsein geklammert. Der Radiosender und die Show hatten mir geholfen, die Sache durchzustehen, und mir einen anderen Grund zu leben verschafft. Bei Jenny war das offensichtlich nicht so.
Jetzt wirkte sie beinahe zornig. »Du hast leicht reden, mir zu sagen, dass ich verschwinden soll. Du hast ihm die Stirn geboten. Du und T. J.«
»Du hast T. J. noch nicht einmal gekannt.«
»Nein. Aber die anderen reden immer noch von ihm, wenn Carl und Meg nicht da sind. Sie sagen, er ist der Einzige, der ihm je mutig gegenübergetreten ist.«
Als wäre er ein verdammter Volksheld oder so etwas. Am liebsten hätte ich sie angeschrien. Wir waren gescheitert. T.J. war gestorben, und ich war wie ein
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