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Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman

Titel: Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht, dass Carl sich nicht an uns heranpirschen konnte. Vielleicht suchte er sie sogar. Es machte mich nervös.
    Ich wich zurück. »Willst du mit reinkommen und reden? Wir bleiben in der Lobby. Ich sperre nicht ab.«
    Einen Moment später nickte sie. Sie wagte es immer noch nicht, mich anzusehen. Ich drehte mich um und ging, wobei ich absichtlich nicht zurückblickte. Doch ich konnte hören, dass sie mir folgte.
    Der Sicherheitsmann am Empfangstisch winkte mir zu, als ich in die Lobby zurückkehrte, und wurde aufmerksam, als die Frau mir folgte. Sie sah sich um und hielt sich ganz in der Nähe des Eingangs.
    »Alles in Ordnung. Ich leihe mir bloß zwei Stühle aus«, erklärte ich ihm und griff mir zwei Plastikstühle von der Wand. Wenn sie Hilfe benötigte, wollte ich sie nicht verschrecken, was auch bedeutete, ihr einen Fluchtweg offen zu lassen. Einen bereits verängstigten Wolf wollte ich nicht auch noch in die Enge treiben.
    Sie gab sich Mühe, nicht eingeschüchtert zu wirken. Immer wieder schob sie die Schultern zurück und versuchte sich aufzurichten. Ihre finstere Miene hatte sich beinahe zu einem Zähnefletschen verzogen.
    Ich stellte die Stühle neben die Tür. Wir konnten uns außer Hörweite aller anderen unterhalten. »Setz dich.«
    Und sie tat es. Einfach so. Völlig gehorsam. Carl liebte es, darauf wäre ich jede Wette eingegangen.
    Langsam ließ auch ich mich nieder. »Wie heißt du?«
    »Jenny.«
    »Und worüber sollst du dich laut Becky mit mir unterhalten?«
    »Ich sollte gar nicht hier sein«, sagte sie. »Ich hätte nicht kommen sollen.« Sie warf der Tür einen Blick zu, als erwartete sie, dass dort Monster auftauchten.
    »Kannst du eine Minute lang versuchen, die ganze Sache mit den Werwölfen zu vergessen? Wir sind einfach nur zwei Leute, die miteinander plaudern. Ich kann mich nicht mit dir unterhalten, wenn du Angst vor mir hast.«
    Sie schloss die Augen und atmete ein, was sie zu beruhigen schien. Doch ihre Wölfin blieb. Wahrscheinlich entfernte sie sich nie ganz und lenkte ständig die Reaktionen der Frau.
    »Becky will, dass ich von Carl wegkomme. Sie möchte, dass ich die Stadt verlasse. Du hast es getan, und wenn ich mit dir spreche, schaffe ich es vielleicht auch.«
    »Es ist wirklich nicht so schwer, wie es scheint.«
    »Aber ich will nicht.« Sie fing zu weinen an, lautlose Tränen rannen ihr Gesicht hinab. Ich fand ein sauberes Tuch in meiner Tasche und reichte es ihr. »Er kümmert sich um mich, ich habe ihm alles zu verdanken, er ist ein Teil von mir. Das kann ich nicht einfach so hinter mir lassen.«
    Warum weinst du dann?, wollte ich fragen. Ich ließ sie ausreden.
    »Er ist kein Engel«, fuhr sie fort. »Das weiß ich. Aber er kann nichts dafür, er …« Sie verhaspelte sich und schwieg. Ihre Argumentation verblüffte mich. War ihr überhaupt klar, was sie da sagte?
    Sie war jung und hübsch. Carl behandelte die Frauen in
seinem Rudel, als wären sie Teil seines eigenen privaten Harems. Ich wusste aus eigener Erfahrung, was er den Jungen und Hübschen antat. Es kam sogar vor, dass er handgreiflich wurde.
    »Bei Werwölfen ist es doch so«, sagte ich, »die blauen Flecken verheilen schnell. Niemand bekommt sie zu sehen. Das macht es leichter, sich einfach zu ducken und es über sich ergehen zu lassen, nicht wahr?«
    Endlich sah sie mich an, sah mich richtig an, mit erstaunten Menschenaugen. Ich verstand, und das überraschte sie.
    »Deshalb hat Becky gesagt, ich soll mich mit dir unterhalten«, sagte sie. Ich nickte.
    »Jenny, ist es dir unangenehm, wenn ich dich frage, wie du dich infiziert hast? Wie du zum Werwolf geworden bist? Du bist es noch nicht lange, oder?«
    Unglücklich sackte sie auf dem Stuhl zusammen und sah weg. Sagte nicht direkt Nein, also ließ ich ihr Zeit, sich zu sammeln.
    Nach einer Weile sagte sie: »Ich bin ihm vor ein paar Monaten in einem Klub begegnet. Carl, meine ich. Er war nett. Ich habe ihn gemocht, weißt du? Er hat mir viel Aufmerksamkeit geschenkt. Ich habe ihn mit nach Hause genommen und so weiter.«
    Mit nachdenklich gerunzelter Stirn hörte ich zu. Das klang nicht nach Carl. Carl, der Mädchen in Klubs aufgabelte? Und was hatte Meg dazu zu sagen? Vermutlich hatte Meg einigen Einfluss eingebüßt im Laufe jenes letzten Kampfes, der mich aus Denver vertrieben hatte. Sie hatte versucht, seine Position als Rudelalpha einzunehmen,
hatte verloren und war dann um Vergebung bettelnd vor ihm am Boden gekrochen. Er hatte sie ihr gewährt, doch

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