Die Stunde Der Jaeger
und die mir gut zuredete.
Vielleicht hatte ich vergessen, dass es Leute gab, die auf meiner Seite waren.
Widerwillig lächelte ich. »Damit willst du also sagen, dass ich einfach weitermachen muss.«
»Rätst du das nicht auch immer den anderen?«
»Ja, sicher«, murmelte ich. Es gab doch nichts Wirksameres,
als wenn einem jemand den Spiegel vorhielt oder einem die eigenen Worte entgegenschleuderte. »Du hast wohl Recht. Ich muss einfach weitermachen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das mal sagen würde, Ariel. Aber danke. Danke, dass du mit mir geredet hast.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich etwas gesagt habe.«
»Vielleicht habe ich einfach jemanden gebraucht, der mir zuhört.« Jemand, der nicht davon abhing, dass ich mich zusammenriss und funktionierte. »Ich lass dich jetzt zurück zu deiner Sendung.«
Ariel sagte: »Kitty, ich mache mir echt Sorgen um dich.«
»Wie wäre es, wenn ich in zwei Wochen bei dir anrufe und dir Bescheid gebe, wie es bei mir läuft? Oder du könntest mich anrufen.«
»Das ist ein Date. Pass auf dich auf, Kitty.«
Ich legte auf und setzte mich auf die Bettkante.
Zwar konnte ich spüren, dass Ben mich anstarrte, doch ich wollte seinen Blick nicht erwidern. Ich wollte mich weder ihm noch der höhnischen Bemerkung stellen, die ihm bestimmt auf der Zunge brannte. Doch das Zimmer war zu klein, als dass wir einander lange aus dem Weg hätten gehen können. Ich sah ihn an.
Er sagte: »Du musst unbedingt wieder deine Sendung machen. Je eher, desto besser. Du bist zu gut, als dass du es sein lassen könntest.«
Am liebsten hätte ich geweint. Was ich nicht sagen konnte â nicht Ariel, nicht ihm, überhaupt niemandem â war, dass ich zu groÃe Angst davor hatte zurückzukehren. Ich hatte Angst, dass ich die Sendung nicht mehr am Laufen
halten könnte. Lieber würde ich freiwillig aufhören, als zu versagen.
Langsam schlenderte ich zu ihm hinüber, mit aufreizendem Gang und Feuer im Blick. Ich brauchte Ablenkung. Mit gespreizten Beinen setzte ich mich auf seinen SchoÃ, drückte Ben gegen die Sessellehne und küsste ihn. Küsste ihn lang und verführerisch, bis er die Arme um mich legte und mich festhielt. Bis sein Griff einen Anker für mich bildete.
»Komm ins Bett, Ben«, hauchte ich, und er nickte. Dann küsste er mich wieder.
Am Morgen statteten wir den Wilsons einen Besuch ab.
Die Familie lebte westlich von Shiprock, inmitten einer weiten Ebene aus Wüstengewächsen und BeifuÃ. Im Polizeibericht befand sich eine Wegbeschreibung. Vom Highway bogen wir auf einen staubigen Weg, der sich als StraÃe ausgab. Zwei Meilen weiter stieÃen wir auf das Haus. Ein paar heruntergekommene Zäune markierten Pferche, in denen jedoch nichts lebte. Das Haus war einstöckig, aus Holz, winzig und niedrig. Es wirkte zu klein, um als Garage zu dienen, erst recht um eine Familie zu beherbergen. In der Nähe parkten zwei uralte, verrostete Pick-ups.
Wir parkten an der unbefestigten StraÃe und gingen den Pfad â einen Weg, den ungleichmäÃig Steine säumten â zur Eingangstür entlang.
»Wenn es sich nicht um Cormac handelte, würde ich das hier nicht machen. Ich würde den ganzen Fall einfach abschreiben«, sagte Ben. »Ich muss dort hineingehen und
diese Leute bitten, mir bei der Verteidigung des Mannes behilflich zu sein, der ihre Tochter umgebracht hat. So was hat mir früher nichts ausgemacht, aber jetzt möchte ich bloà knurren und etwas in Stücke reiÃen.«
Ich wollte etwas Unbestimmtes und Besänftigendes sagen, doch es gelang mir nicht, denn mir ging es ganz genauso. Mir standen sämtliche Haare zu Berge. »Dieser Ort hat etwas richtig Eigenartiges an sich.«
Wir hatten die Tür erreicht, ein dürftig aussehendes Ding aus Holz. Ben starrte sie an. SchlieÃlich klopfte ich. Ben holte tief Luft und schloss die Augen. Er öffnete sie in dem Moment, in dem die Tür aufging.
Eine junge Frau, vielleicht achtzehn, sah uns an. »Wer sind Sie?« Die Frage und ihre Haltung â die Tür war nur ein paar Zentimeter geöffnet â verrieten Argwohn. Vielleicht sogar Paranoia.
»Ich heiÃe Ben OâFarrell. Ich versuche an Informationen über Miriam Wilson zu gelangen. Sind Sie ihre Schwester?«
Natürlich war das Mädchen ihre Schwester. Ich hatte Miriam lediglich
Weitere Kostenlose Bücher