Die Stunde Der Jaeger
gut.⹠Aber wer hat dich eingeweiht?«
Er verzog den Mund zu einem Lächeln, doch es war dünn und kalt. »Soweit ich mich erinnern kann, hat mir nie jemand erzählt, dass es Werwölfe wirklich gibt. Ich habe es
schon immer gewusst. Meine Familie â wir machen schon seit über hundert Jahren Jagd auf Lykanthropen. Mein Dad hat es mir beigebracht.«
»Wie alt bist du gewesen, als er gestorben ist?«
Er sah mich scharf an. »Wer hat dir erzählt, dass er gestorben ist?«
»Ben.«
»Bastard«, murmelte Cormac.
»Mehr hat er nicht gesagt«, fügte ich rasch hinzu. »Ich habe ihn gefragt, wie ihr beiden einander begegnet seid, und ob du schon immer so humorlos gewesen bist, und er sagte, du hättest ein Anrecht darauf, humorlos zu sein. Ich wollte wissen warum, und er hat es mir erzählt.«
Er starrte mich an, und das gefiel mir ganz und gar nicht. Unter Wölfen galt Starren als Herausforderung. Die Vorstellung, von Cormac zum Kampf herausgefordert zu werden, führte dazu, dass sich die Wölfin in meinem Innern vor Angst wand. Ich konnte nicht gegen Cormac kämpfen. Ich wandte den Blick ab und zog die Decke enger um mich.
»Du redest immer noch zu viel, ist dir das klar?«, fragte Cormac.
»Ich weiÃ.«
SchlieÃlich sagte er: »Ich war sechzehn. Nach dem Tod meines Vaters habe ich bei Ben und seiner Familie gelebt. Seine Mutter ist die Schwester meines Dads gewesen.«
»Dann hat Ben es auch gewusst. Er ist Teil der Familiengeschichte gewesen.«
»Schwer zu sagen. Ich glaube, Tante Ellen war heilfroh, das Ganze hinter sich zu lassen. Himmel, was soll ich ihr nur sagen?«
»Nichts«, sagte ich bitter. »Jedenfalls nicht bis Vollmond auf Weihnachten fällt, und Ben erklären muss, warum er über die Feiertage nicht nach Hause kommt.«
»Da spricht die Stimme der Erfahrung.«
»Yep. Wenn Ben nicht von Anfang an bei den Werwolfjagden mit von der Partie war, wie hast du ihn dann in die Sache hineingezogen?«
»Ich habe ihn nicht hineingezogen â¦Â«
»Okay, wie hast du ihn dazu gebracht?«
»Wieso willst du das alles über mich wissen?«
»Du bist interessant.«
Dazu sagte Cormac nichts, sondern starrte mich wieder ein bisschen zu eindringlich an.
Ich sagte: »Könntest du mich bitte nicht so ansehen? Das macht mich nervös.«
»Aber du bist interessant.«
O je! Dieses verkrampfte Gefühl in meinem Magen hatte nichts mit Angst zu tun ⦠diesmal nicht.
Einmal hatte ich Cormac geküsst. Es war eine ähnliche Situation gewesen. Wir saÃen da und unterhielten uns, und ich lieà mich wider besseres Wissen von meinem Verlangen überwältigen. Und er erwiderte den Kuss, etwa eine Sekunde lang. Dann marschierte er aus dem Zimmer und bezeichnete mich als Monster.
Zu viele Vorfälle wie diese konnten einem Mädchen Komplexe bereiten.
Diesmal würde er nicht davonlaufen.
Ich schwang die Beine über die Sofakante und lieà mich zu Boden gleiten. Auf diese Weise kniete ich nicht weit von ihm, nahe genug, um ihn anzufassen. Und er lief noch immer
nicht davon. Ja, er rührte sich überhaupt nicht, als warte er darauf, dass ich auf ihn zukam. Wie lief das bei Wölfen? Sollten nicht die Jungs den Mädchen hinterherrennen? Doch er war kein Wolf. Er würde die Zeichen nicht zu deuten wissen.
Die Wölfin rollte sich auseinander, war dabei, ihre Furcht zu überwinden. Ja, klar, er war angsteinflöÃend. Klar, er war hart im Nehmen. Das bedeutete, dass er uns beschützen konnte. Das genügte ihr. Das und der Umstand, dass er roch, als würde er mich wollen. Er strahlte Wärme aus, und da war ein scharfer Geruch nach SchweiÃ, der noch nicht einmal sichtbar war. Die Anspannung machte ihn reglos, wie aus Stein gemeiÃelt. Ich brauchte ihn nur zu berühren und ihn aus seiner Starre zu erlösen. Ich hob die Hand.
»Ich â ich kann euch riechen.« Die Stimme war tief und schrecklich heiser.
Ich musste einen halben Meter zurückgewichen sein. Mein Herz raste wie ein Presslufthammer, und ich machte mich zur Flucht bereit.
Ben stand im Türrahmen zum Schlafzimmer, an die Wand gelehnt. Er trug noch immer kein Hemd, und seine Haut war blass, schweiÃnass. Seine Haare waren zerzaust. Er öffnete die Augen nur halb, dann zuckte er zusammen, anscheinend aus Verwirrung â als wisse er nicht, wo er sich
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