Die Stunde Der Jaeger
hatte ich ein Rudel zu schützen.
Wegzulaufen stand nicht zur Debatte, denn was, wenn dieses Etwas mir folgte?
Ben sagte: »Du glaubst, es handelt sich um das Ding, das du in der Nacht gesehen hast?«
»Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob ich überhaupt etwas gesehen habe.«
»Und du glaubst, es handelt sich um dasselbe Etwas, worauf schon Cormac Jagd gemacht hat.«
»Was, wenn es ihm hierher gefolgt ist?« Was auch immer hier gewesen war, die Spuren waren mittlerweile zwei Tage alt. Schwerer zu finden â und ich hatte beim ersten Versuch schon nichts gefunden. Doch wenn es sich um dasselbe Etwas handelte, hatte ich jetzt einen zweiten Anknüpfungspunkt. Ich bewegte mich schnurgerade in Richtung der Baker Ranch. »Ich werde mich umsehen. Ich kann das ganze Gebiet zwischen hier und der Ranch abdecken. Du solltest hier bleiben.«
»Nein. Du hältst mich da nicht raus. Ich begleite dich. Ich werde dir helfen.«
»Ben â¦Â«
»Ich will nichts mehr von dieser AlphascheiÃe hören. Lass mich dir bitte einfach helfen.«
Natürlich hätte ich wütend werden und aus Prinzip meinen Standpunkt behaupten können. Das wäre ganz Alpha gewesen. Alphas lieÃen es nicht zu, dass junge Wölfe
sich mit ihnen anlegten. Doch es gab nur uns beide. Ich hatte nichts zu beweisen. Vielleicht waren wir gemeinsam besser dran.
»Halt die Augen nach allem offen, was nicht hierher gehört. Jegliche Spur, jegliche Ahnung.«
»Alles, das wie diese Kühe riecht«, sagte er leise.
»Genau.«
Gemeinsam gingen wir auf die Jagd. Ich lieà einen kleinen Teil der wölfischen Wahrnehmung in mein menschliches Ich sickern. Geruch, Klang, Sinneseindrücke â die kleinste Bewegung eines Eichhörnchens wurde zu etwas GroÃem, ich betrachtete aufmerksam jeden raschelnden Ast. Eigentlich sollte man so etwas nicht tagsüber tun. Zu viel Ablenkung. Was auch immer hinter diesem Blutbad steckte, hatte es nachts getan. Es handelte sich um die Art Böses, die im Dunklen zuschlug.
Ich beobachtete Ben in der Sorge, er könnte zu viel von seinem Wolf hinauslassen, und fragte mich, ob er vielleicht die Beherrschung verlieren und sich verwandeln würde. Vor allem wirkte er grüblerisch, sah sich immer wieder um, als sei die Welt neu, oder als erwache er gerade aus einem Traum. Mir wurde klar, dass er Recht hatte, mitkommen zu wollen. Hier drauÃen zu sein, die Welt von Neuem zu betrachten lernen, war besser für ihn, als sich zu Hause zu verkriechen.
Wir liefen um den Hügel am Rand der Baker Ranch, der Aussicht auf sein Land gewährte. Ein Schaufelbagger warf den letzten Kadaver auf einen Truck, der die toten Tiere wegschaffen sollte.
Wir waren auf keine Spur des Wesens gestoÃen, und
irgendwie überraschte mich das nicht. SchlieÃlich machten wir kehrt und fuhren nach Hause.
Am Nachmittag ging ich wieder online und überprüfte die gewöhnlichen durchgeknallten Websites und Foren, die eventuell die Daten â oder schlimmstenfalls Gerüchte und Anekdoten â enthalten könnten, hinter denen ich her war. Ich suchte nach Viehverstümmelungen, vor allem im Südwesten der Vereinigten Staaten. Und richtig, unter meinen Treffern befanden sich übermäÃig viele UFOlogen-Websites. Ein bisschen ärgerlich. Ich versuchte jeglichen angeborenen Skeptizismus zu vermeiden; in letzter Zeit hatte ich ohnehin etliche meiner Annahmen überdenken müssen. Etwa, was die Existenz von Werwölfen betraf. Doch ich war nicht wirklich gewillt zu glauben, dass eine bei weitem überlegene auÃerirdische Intelligenz den ganzen Weg zur Erde reisen würde, bloà um ein paar Kühen den Garaus zu machen.
Doch ich stieà auf etwas. Es waren keine AuÃerirdischen und auch keine Werwölfe. Auf ein paar Websites sprachen die Leute von Heimsuchung. Nicht von den Toten, sondern von etwas Bösem. Es hatte Tod und Zerstörung zur Folge. Seinen Ursprung hatte es in den Indianerstämmen im Südwesten, besonders bei den Navajo und Zuni. Man erzählte sich von Hexenflüchen, die ganze Familien umbrachten, jemands Lebensunterhalt vernichteten, ganze Gemeinden heimsuchten. Und von Skinwalkern: Hexen, in deren Macht es stand, sich in Tiere zu verwandeln. Wie Lykanthropen. Sie hatten rote Augen.
Niemand schien sich in allen Einzelheiten über sie auslassen
zu wollen. Zu viel über sie zu wissen, machte einen schnell
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