Die Stunde Der Jaeger
sollen. Verflucht, hatte Tony gesagt. Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr ich das rasche Heilen als gegeben hinnahm. Andererseits würde ich ohne diese Fähigkeit nicht herumlaufen und mich angreifenden Wölfen in den Weg stellen.
Ich beobachtete die Uhr. Stunden später, nach Mitternacht, kehrte Ben in den Empfangsbereich zurück. Er war bleich, sah kränklich aus, und seine Haare waren schweiÃnass. Er sah aus, als sei er ein Rennen gelaufen, anstatt mit der Polizei zu reden. Ich stand auf und ging ihm entgegen.
Er roch nach Moschus, animalisch, als käme sein Wolf an die Oberfläche. Ich griff nach seiner Hand. »Reià dich zusammen, Ben. Atme tief ein.«
Er tat es, und die Luft entfuhr ihm mit einem Schaudern. »Ich weià nicht, was Cormac bei seinem ersten Aufenthalt
hier getan hat, aber Marks hat es auf ihn abgesehen. Er hat bereits den Staatsanwalt eingeschaltet. Sie möchten Anklage erhaben. Sechs Augenzeugen haben mit angesehen, wie Cormac dir das Leben gerettet hat, und sie wollen Anklage erheben. Vor der Vorverhandlung morgen wollen sie keine Kaution festlegen. Und ich habe bloà dagesessen und sie angestarrt .«
»Wie funktioniert es normalerweise? Du lässt es so klingen, als liefe es bei euch beiden gewöhnlich anders ab.«
»Sonst habe ich reichlich Beweise, dass Cormac einen guten Grund für seine Tat hatte, und es wird noch nicht einmal Anklage erhoben. Aber diesmal haben wir da das eine oder andere Problem. Jemand hier möchte sich einen Namen machen.«
»Marks?«
»Marks und George Espinoza, ein sehr ehrgeiziger Staatsanwalt, dem wahrscheinlich noch nie etwas Schwerwiegenderes als unbefugtes Betreten untergekommen ist.« Sein Tonfall war barsch.
»Und?«
»Sie lag bereits im Sterben, als er sie umgebracht hat. Es ist unverhältnismäÃige Gewalt gewesen, selbst für Cormac. Das ist die Argumentationsweise, auf die Espinoza sich verlegen wird.«
Das hier würde eine echte Haarspalterei werden. Cormac hatte getan, was er tun musste â das leuchtete mir ein. Hundert Höhepunkte in Horrorfilmen sagten einem, dass er das Richtige getan hatte.
Doch wie würde ein Richter die Sache sehen?
»Wie geht Cormac damit um?«
»Stoisch. Er ist eben Cormac. Da ist noch etwas. Sie haben die Leiche identifiziert. Der Skinwalker. Miriam Wilson. Sie ist die Zwillingsschwester von John Wilson, dem Werwolf, den Cormac erschossen hat. Der mich erwischt hat. Vor drei Monaten ist sie als vermisst gemeldet worden.«
Als wenn wir es gebrauchen könnten, dass die Situation noch komplizierter wurde. Ich versuchte mir ein Szenario vorzustellen, in dem ein Bruder und eine Schwester zu dem wurden, was sie gewesen waren, und solch ein Chaos verursachten.
»Bruder und Schwester? Einer ein Werwolf und einer ein Skinwalker. Wie lautet die Geschichte dahinter?«
»Ich wünschte, ich wüsste es.«
»Und ihre Familie hat ihr Verschwinden bei der Polizei gemeldet, aber sie haben Cormac angeheuert, um ihn Jagd auf den Bruder machen zu lassen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir wissen nicht, ob ihre Familie die Vermisstenanzeige aufgegeben hat. Ich tippe mal darauf, dass die Leute Cormac nicht auf ihre Tochter angesetzt haben, weil sie kein Werwolf gewesen ist. Wir wissen nicht, ob sie wussten, was sie gewesen ist. Wir wissen überhaupt nichts. Herrgott, ich werde mir einen Anzug kaufen müssen. Ich habe meine ganzen Klamotten in meinem Auto in Farmington gelassen. Vor Gericht kann ich unmöglich ohne Anzug erscheinen.« Im Moment trug er seine Jacke über Jeans und T-Shirt, wie schon die ganze letzte Woche.
»Wir gehen dir morgen früh einen Anzug kaufen. Gibt es sonst noch was, was du tun musst? Können wir von hier
verschwinden?« Ich wollte ihn aus dem Gebäude mit den unglücklichen Gerüchen und der aggressiven Atmosphäre bringen.
»Ja, gehen wir.«
Das war der Beginn einer sehr langen Nacht. Ben benutzte meinen Laptop und durchstöberte stundenlang juristische Bibliotheken im Internet nach Präzedenzfällen und Rechtsausführungen, die Cormac aus dem Knast holen würden. Er kritzelte Notizen auf einen Block. Ich lag auf dem Sofa, sah ihm zu und fragte mich, wie ich helfen könnte. Er wurde von Minute zu Minute unruhiger.
»Ben, komm ins Bett. Schlaf ein bisschen.«
»Ich kann nicht. Zu viel zu tun. Meine ganzen Unterlagen befinden sich in meinem
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