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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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eifersüchtig«, bekannte sie und nahm einen weiteren Schluck. »Es war etwas Besonderes zwischen meinem Mann und ihr, eine Symbiose, sobald Georges seine Kamera auf sie richtete. Fleur gab sich ihm hin, sie machte alles, was er verlangte. Es war eine Hingabe, die weit über jede Sexualität hinausging. Sie müssen wissen«, erzählte Adrienne weiter, nachdem sie noch einmal getrunken hatte, »Georges schlief mit allen Mädchen, die er fotografierte, das machte mir nichts aus, aber mit Fleur schlief er nicht. Zwischen meinem Mann und ihr bestand eine Verbindung, die ich nie zu ihm hatte. Und deswegen habe ich Fleur gehasst, ich muss es ganz offen zugeben. Ich liebte Georges, ich betete ihn an. Mein ganzes Leben lang war ich verrückt nach ihm gewesen. Und dann kam dieses schöne Mädchen, das ihn liebte, ohne es zu wissen. Davon gehe ich aus. Auch er liebte sie, aber er rührte sie nie an. Georges forderte alles von ihr. Alles. Sie waren abhängig voneinander, doch sie wollten es nicht wahrhaben, nicht einmal vor sich selbst. Und dann fing sie eine Beziehung mit Patrice an, einem Arzt und Freund meines Mannes. Georges tobte, denn Fleur erschien einfach nicht mehr zu den Fotoshootings, und bei Lanvin Castillo wartete man stundenlang auf sie, aber sie kam nicht zur Anprobe. Das sprach sich herum, und sie wurde nicht mehr gebucht. Sie gab für diesen Mann alles auf.«
    »Wissen Sie, wo Fleur gewohnt hat?«, fragte Bérénice dazwischen, als Adrienne ihre Erzählung kurz unterbrach, um einen Schluck zu trinken.
    »Kindchen, ich weiß es nicht, ich habe so ein furchtbar schlechtes Gedächtnis, und es ist ja schon über vierzig Jahre her.« Fast entschuldigte sie sich für ihre Vergesslichkeit. »Georges drehte durch, denn er wusste, dass Patrice verheiratet war und sich mit Fleur nur heimlich in ihrer Wohnung traf. Georges war von der Idee besessen, die beiden auseinanderzubringen. Zum Schutz von Fleur, wie er behauptete. Ja, und dann hat Patrice sie verlassen.«
    »Wer war dieser Patrice, wie war sein Familienname?«
    Bérénice hatte atemlos zugehört, Adrienne zuckte die Achseln. »Ich weiß es einfach nicht mehr, wirklich, Kindchen, mein Gedächtnis ist so schlecht geworden.«
    »Was war dann mit Fleur? Wie hat sie es verkraftet?«
    »Irgendwann rief sie Georges an und flehte ihn an, ihr noch eine zweite Chance zu geben, sie brauche dringend Geld, da sie ein Kind erwarte.«
    »Sie war schwanger?«, rief Bérénice.
    Der Alkohol beflügelte Adrienne, und sie kam in Fahrt. »Als Georges hörte, dass sie schwanger war, raste er vor Eifersucht und verweigerte ihr jede Hilfe. Er fing damals an, mit anderen Mädchen zu fotografieren. Mit der rothaarigen Suzy und …«
    »Was ist aus dem Kind geworden?« Bérénice hielt den Atem an.
    Adrienne hob bedauernd die Hände. »Ich weiß es nicht. Fleur zog sich zurück, und erst nach Monaten tauchte sie plötzlich wieder auf. Sie erklärte Georges, es gebe kein Kind, sie habe abgetrieben, das sei der Wunsch des Vaters gewesen. Auch das schockierte Georges. Sie müssen wissen, Abtreibung war damals verboten, und Frauen setzten sich oft großer gesundheitlicher Gefahr aus. Nach diesem Geständnis war alles anders. Die Magie zwischen Georges und ihr gab es nicht mehr. Mein Mann konnte nicht verstehen, dass sie sich so billig verkauft hatte, und er hasste seinen Freund Patrice für das, was er Fleur angetan hatte. Er lauerte ihm eines Abends vor dem Hotel Ritz auf, und die beiden prügelten sich. Das ging durch die gesamte Presse. Georges hatte sich unmöglich gemacht. Als er Anfang der sechziger Jahre ein Angebot von der amerikanischen
Vogue
bekam, blieb uns nichts anderes übrig, als nach New York zu gehen. Doch seine große Zeit war vorbei. Die hatte er mit Fleur«, fügte Adrienne im Ton tiefsten Bedauerns hinzu und schenkte sich ein neues Glas ein.
    »Die Flasche ist leer, ich hole noch eine.«
    Sie erhob sich und schwankte durch den Hof in die Galerie. Es war still, und nur von weitem hörte man das Rauschen des Verkehrs auf dem Boulevard Saint-Germain-des-Prés.
    »Denken Sie bitte nach, wie war Patrice’ Nachname?«, rief ihr Bérénice entgegen, als sie mit der zweiten Flasche in der Tür stand.
    »
Chérie
, ich weiß es nicht. Tut mir leid, ich habe ein so schlechtes Namensgedächtnis, sagte ich das nicht schon?«
    Seufzend kam sie zum Tisch und ließ sich vorsichtig auf ihrem Korbstuhl nieder, den Oberkörper kerzengerade aufgerichtet. Sie zog die Augenbrauen hoch,

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