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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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musste.
    »Pfui Teufel, Weib, was hast du hier für widerlichen Spinnenkram, was ist das für eine Art, Gäste zu empfangen, hängen sollte man dich für dieses Zauberzeug, wer weiß, was du damit alles anstellst …« Christina nutzte die wenigen Augenblicke, um aus dem Kreis der Kinder am Feuer auf dem Hintern rückwärts zu rutschen und so unauffällig wie möglich auf das Lager mit den zerrupften Fellen zu kriechen. Mit denen konnte sie verschmelzen, ohne dass man sie entdeckte.
    Die Hausfrau – vorhin noch so laut und polternd – beeilte sich, den neuen Gästen Platz zu machen. Ihre Kinder flogen förmlich durch das kleine Haus, die Mädchen versteckten sich, die Jungen verharrten regungslos vor dem Verschlag, wo früher einmal das Vieh gelebt hatte. Beth war einfach auf ihrem Platz sitzen geblieben. Christinas Herz klopfte – war sie denn närrisch? Jetzt nahm sie sogar den Becher vom Boden auf und trank daraus!
    »Setzt euch, edle Herren, setzt euch – ich kann euch nicht viel anbieten, edle Herren, nur eine Wassersuppe mit alten Zwiebeln – alles andere wurde uns genommen, aber esst euch nur satt, edle Herren«, stammelte die Frau. Mit fahrigen Händen brachte sie Näpfe herbei, obwohl Máelsnechtai sich noch gar nicht entschieden hatte, ob er bleiben würde oder nicht. Auch die Haustür stand immer noch offen, von draußen wehte Schnee nach drinnen, und man hörte, wie die erhitzten Pferde schnauften. Leder knarzte, die Ketten der Gebisse rasselten, vielleicht sattelten sie ab. Eins der Pferde hatte das Haus betreten, sie roch seine böse Anwesenheit. Noch verbarg es sich, sandte Kälte als Vorboten …
    Das Torffeuer zog Christinas Blicke auf sich. Die Armut in diesem Haus diktierte seine Größe, es war nur ein kleiner Haufen in der Grube, der kaum Licht verbreitete. Wie düstere kleine Ungeheuer saßen die Torfplatten aufeinander und bedeckten die Flämmchen, die nur hier und da an ihnen vorbeiflackerten. Unter der Rauchwolke lag ruhig hellrote Glut und verbreitete die typische Wärme. Gegen ihren Willen musste sie hinstarren, ihren Blick in die Glut hineinversenken, und sie fühlte, wie sie mit flammenden Händen nach ihr griff. Doch diesmal war es nicht Margaret, die aus der Glut zu ihr kam. Auch kein Malcolm. Keine Bilder, keine Menschen, keine angsteinflößenden Ereignisse, bei denen sie ungewollt und hilflos Zeugin wurde … Die verhaltene Glut aus dem Haus einer tapferen Frau schenkte ihr vielmehr etwas. Wie eine große, warme Hand kroch sie auf sie zu, erreichte ihre Finger, kroch unter den Mantel und an ihren Armen entlang, über die Schultern, ohne dass sie sich auch nur einen Zoll bewegen konnte! Ruhig wanderte sie über ihren ganzen Körper, erkundete ihn und erfüllte ihn mit etwas Neuem, was heiß und kalt zugleich war. Ein Wille ging daraus hervor, eine nie gekannte tiefe Unbändigkeit … und die Angst verschwand, obwohl sich ihr Leben gerade in höchster Gefahr befand, denn Máelsnechtai ließ seinen Blick durch die Hütte wandern, und auch der Eiswind suchte sie. Die Glut des Torffeuers nahm die Furcht mit sich zwischen die düsteren Platten aus dem Erdreich, als sie Christina verließ, langsam über das Lager davonwich und in ihr niedriges Bett zurückkehrte.
    Christina spannte sich an. Verschmolz mit dem düsteren Leinenzeug auf dem Lager. Sein Blick blieb an ihrer Gestalt hängen, wanderte an ihr auf und ab, suchte ein Gesicht unter der Kapuze. Er tat einen Schritt auf sie zu. Runzelte die Stirn. Kam noch einen Schritt näher. Sie schloss die Augen und spürte, wie ihr Körper rund wurde. Etwas ging von ihr aus, womit sie nicht gerechnet hatte und was sie zuletzt als Kind erlebt hatte … Wie ein Ring umschloss ihr Wille sie und wies den Mórmaer ab. Er runzelte die Stirn. Kratzte sich am Kopf – und machte kehrt.
    Das eisige Auge des Fahlen erkannte sofort die Veränderung. Ein fahler Huf scharrte dicht neben ihrem Kopf, wollte sie provozieren, ihr Angst einflößen, wie es die letzten Male geschehen war. Unwillig fuhren die messerscharfen Mähnenhaare über das Lager, als er seinen mageren Kopf schüttelte. Sie berührten sie und trafen sie doch nicht. Nicht mehr. Sie würden sie nie mehr treffen. Der Schweif peitschte gegen die Wand, von wo alter Sand aus den Grassoden rieselte und das verdreckte Lager bedeckte.
    Du wagst es, flüsterte der Fahle, uns wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde …
    Er füllte das ganze niedrige Haus aus, erdrückte Leben, verhinderte

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