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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Worte hervorbrachten, weil das Herz des Mannes schon vor langer Zeit im Zorn über sein schreckliches Schicksal versteinert war …

ZWÖLFTES KAPITEL
    Denn der HERR ist freundlich dem, der auf sie harrt,
    und der Seele, die nach ihm fragt.
    Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein
    und auf die Hilfe des HERRN hoffen.
    (Klagelieder Jeremiä 3,25-26)
    E s bollerte gegen die Tür, dann trat ein Fuß gezielt das klapprige Holzstück zu Boden.
    »Hier draußen steht ein Pferd des Königs von Schottland«, dröhnte eine Männerstimme in die Dunkelheit. »Wo sind die Leute, die es reiten?«
    Christinas Arme fielen herab. Ihre Kraft brach in sich zusammen und rieselte in die Binsen. Die bleierne Erschöpfung indes wagte sich noch nicht näher, weil Erregung durch ihre Adern fuhr und sie aufrecht hielt. Sie hatte die Stimme erkannt.
    Godric packte ihre Hand. »Wer bist du? Ich sehe dein Gesicht – was hast du mit mir gemacht? Ich kann dich sehen, Mädchen!« Er rappelte sich auf den Ellbogen, versuchte aufzustehen, doch Claire wusste ihn daran zu hindern und drückte ihn flüsternd in die Lumpen zurück. Nur kein Aufruhr, nur kein Aufsehen, niemanden herlocken … Christina war das gleichgültig, für sie stand das nächste Hindernis ja schon in der Tür: Máelsnechtai hatte sie gefunden, der Himmel allein wusste, wie. Und sie ahnte, dass sie sich nun in noch größerer Gefahr befanden: Der Mórmaer hatte keineswegs aufgegeben, wie sie es in der Nacht der Wölfe hatte glauben wollen. Wenn er sie nicht aufgegeben hatte, dann war auch der Hass auf seinen Bruder noch lebendig, und sie wusste nicht, was sie mehr fürchten sollte.
    Doch bevor ihr noch ein Weg einfiel, wie sie dem Mórmaer entkommen konnte, hatten sich die Aussätzigen schon formiert. Die, die beweglich genug waren, standen aufrecht und trugen Stöcke in den Händen – bereit, sie einzusetzen.
    »Wer bricht hier ungefragt in mein Haus ein?«, hörte sie die raue Stimme des Anführers. »Wer stört unsere Gebete um Gottes Erbarmen, wer nimmt uns das bisschen Ruhe …?«
    »Ich suche zwei Pilger, weiter nichts.«
    »Und dafür tretet Ihr meine Tür ein?« Die Armee der Sünder bewegte sich auf den Eindringling zu. »Und erwartet auch noch, dass man Euch hilft?«
    »Ich kann eure verdammte Hütte dem Erdboden gleichmachen, wenn mir danach ist!«, lachte der ungebetene Gast hässlich, »ich kann euch der Gerichtsbarkeit übergeben, auf dass ihr mitsamt eurer Geschwüre am Galgen baumelt – ich kann euch auch gleich am nächsten Baum aufhängen lassen …«
    » Hlæfweard , lasst diese armen Menschen in Frieden. Ihr sucht mich – sonst niemanden. Hier bin ich.« Christina trat aus dem Schatten. Ihr Herz klopfte wie wild – so könnte durchaus auch das Ende ihrer Reise aussehen. Sie stand vor dem Abgrund und konnte jetzt nur einen Schritt vorwärts tun und springen. Der Weg zurück war ihr versperrt. Máelsnechtai würde sich kein zweites Mal narren lassen, diese Gewissheit hatte er in die stinkende Hütte mitgebracht und wie einen Kriegsschild vor ihr abgestellt. Er würde sie kein zweites Mal entwischen lassen – und er würde seinen Bruder nicht verschonen. Die Angst um Nial gab ihr Mut für den Sprung.
    »Ich habe bereits auf Euch gewartet, hlæfweard .« Sie hob die Hände. Murmeln wurde um sie herum laut. Ihr war klar, dass sie das Vertrauen und die Gastfreundschaft der Aussätzigen verspielt hatte.
    Doch wenn es ihr gelang, Máelsnechtai von seinem Bruder abzulenken, würde sie jedes Risiko eingehen – auch das wurde ihr klar, kaum dass ihre Worte verklungen waren. Margarets Schicksal war die eine Sache, an ihrer Mission für Margaret würde der Mórmaer sie nicht hindern können. Nial aber, und was er mit ihrem Herzen angefangen hatte, war eine ganz andere Sache. Um darüber gar nicht erst weiter nachzudenken, machte sie lieber noch einen Schritt auf den Schotten zu.
    »Das Einzige, worum ich Euch bitte, ist, dass Ihr den Grund meiner Reise respektiert. Lasst mich nach Jarrow gehen – danach will ich Euch folgen.«
    Máelsnechtai schaffte es auf diese schlichte Rede sogar, sich vor ihr zu verbeugen, auch wenn Johns Laterne verriet, dass sein Gesicht von Misstrauen zerfurcht war. Seine Augen nahmen einen lauernden Ausdruck an.
    » Hlæfdige Christina – ich habe verstanden, dass Ihr Euch nicht abhalten lasst. So sei also Jarrow das Ziel unserer Reise, wenn es Euch so gefällt. Nehmt meine Begleitung an und glaubt mir, dass ich Euch beschützen

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