Die Stunde der Seherin - Historischer Roman
ätzende Flüssigkeit über ihr Gemüt.
»Ich hasse ihn«, flüsterte Christina erstickt, »mein Gott, ich hasse ihn …«
»Was für ein unglaublich anmaßender Mensch!«, schimpfte die Amme. Mit der Linken boxte sie sich den Weg frei, mit der Rechten zog sie ihre Schutzbefohlene hinter sich her. »Das hast du nicht verdient, Christina. Dem Mann muss man Einhalt gebieten! Ich werde deinen Bruder …«
»Du wirst schon noch merken, dass für großmäulige Dienstweiber wie dich hier kein Platz ist!«, übertönte die Stimme des Earls den Lärm. Für einen kurzen Moment trat in diesem Teil der Halle Stille ein. Verwundert sahen sie von einem zum anderen, musterten Christina, gafften die Amme an. Der Drohung rieselte Asche von den Schwingen, bevor sie durch das geöffnete Hallentor entwich. Murmelnd kehrte der Lärm zurück und blies die Asche in alle Richtungen davon.
Katalin gab sich große Mühe, Christina abzulenken. In der Kammer, wo man die Æthling-Schwestern untergebracht hatte, herrschte ein duftiges Durcheinander aus Seidenbahnen, Kleidern, Umhängen, Bändern und Schleiern, und Agatha versuchte ihrer Tochter klarzumachen, dass sie jetzt wirklich genug in der Kirche gekniet hatte und es nun ernst wurde. Ihre jüngere Tochter bedachte sie nur mit einem kurzen Nicken. Sie steckt mit Edgar unter einer Decke, schoss es Christina durch den Kopf, und ihr Entsetzen über das, was da gegen ihren Willen beschlossen worden war, wuchs weiter.
»Halt das, aber pass auf, dass es nicht knittert.« Die sauber gefalteten Kopfbedeckungen beinahe aller weiblichen Burgbewohnerinnen landeten auf ihren Armen. Stirnrunzelnd lauschte sie, wie Agatha und Margaret darüber stritten, ob es sich gehöre, unter dem Hochzeitskleid ein Büßerhemd zu tragen. Ein Büßerhemd! Das sah Magga ähnlich …
Eine der Dienerinnen befummelte das härene Kleidungsstück, welches seit Tagen Margarets Haut rau und schuppig kratzte. »Das wird dem Herrn keine Freude bereiten«, meinte sie in breitestem Gälisch und zog die dichten Brauen hoch. »Der Herr hat doch selber so raue Hände vom Kämpfen, da müsst Ihr ihm ein weiches Bettchen bieten, hlæfdige .«
Agatha betrachtete das Hemd kopfschüttelnd. »Kind, er betet dich an – wie kannst du ihn nur so vor den Kopf stoßen wollen!«
»Gott soll sehen, dass mein Körper für Ihn …«
»Unfug, dein Körper gehört ab heute deinem Ehemann und niemandem sonst!«
»Dann ist es nur recht und billig, wenn ich bis dahin noch mein Büßerhemd trage!« Margarets klare Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass man ihr das Hemd schon mit Gewalt würde ausziehen müssen, worauf Agatha mit zum Himmel erhobenen Armen hin und her rannte und über den Hochmut ihrer ältesten Tochter klagte.
Aus dem Hof erklang ein Choral.
»Laudate, pueri Domini, laudate nomen Domini. Sit nomen Domini benedictum ex hoc nunc et usque in saeculum!«
Das Getrappel von Pferdehufen kletterte die Mauern empor, klopfte gegen die hölzernen Laden, die die Mauerschlitze gegen den scharfen Ostwind schützten, und fragte nach, wo die Braut blieb. Die Zeit drängte. Margarets eiserner Wille setzte sich durch. Sie behielt das härene Hemd an, und die Dienerinnen rissen Christina die Schleier vom Arm, um sich damit zu schmücken, während Katalin der Braut in ihr blassblaues Kleid half. »Rasch! Der König mag nicht warten!«, trieb von draußen einer der Diener die Frauen zur Eile an.
»Quis sicut Dominus Deus noster, qui in altis habitat et se inclinat, ut respiciat in caelum et in terram?«, sang der Mönchschor unten im Hof.
»So segne ich nun eure Hände – auf dass sie Gutes schaffen. Ich segne eure Köpfe, auf dass sie Gutes erdenken. Und ich segne eure Verbindung, auf dass sie Fruchtbares hervorbringe.«
Damit legte Fothad die Hände der beiden ineinander und wand seinen bestickten Schal darum. »Stehet auf, Mann und Frau, und tut Gutes in eurer Verbindung.«
Malcolm erhob sich als Erster. Hinter ihm drängten die Edelleute zurück – es war entsetzlich eng geworden vor dem Portal der Kathedrale, jeder hatte so dicht wie möglich dabei sein wollen. Als Jubel aufbrandete, hob der König die Hand. Mit der anderen fasste er Margaret unter dem Arm und hob sie zu sich hoch.
»Begrüßt und ehrt eure neue Königin!«, rief er. »Margaret von Schottland – beugt eure Knie vor ihr!« Und aus der Hand seines Schatzmeisters nahm er einen goldenen Reif entgegen und drückte ihn Margaret auf das schleierverhängte Haupt. Sie
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