Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
angeschnitten, und es roch durchdringend nach Fett und wildem Majoran, mit dem der Koch das Tier gewürzt hatte. Kessel voll speckglänzendem Mus und herzhaften Fleischsuppen wurden ans Feuer gerückt, dazu riesige Holzplatten, auf denen sich Eierspeisen und honigsüße Kuchen türmten, und die Menschen drängten sich an die Tische, um keinen Bissen zu verpassen. Christinas vornehmes Kleid aus zartem Leinen veranlasste die Männer, sich vor ihr zu verneigen, und als sie sich einen Weg zu den Tischen bahnte, glitten bewundernde Blicke über ihre Gestalt. Einer der beiden Earls wollte ihren Arm nehmen – war es Morcar oder Edwin? Sie entkam ihm, schlüpfte an zwei schottischen Riesen vorbei und brachte sich bei den Frauen aus dem Tiefland in Sicherheit, deren Zunge sie zumindest ein wenig verstand.
    Katalin schob rülpsend ihren Napf von sich. »Eine Hochzeitssuppe wie daheim hätte sie stark gemacht. Dieses zähe Fleisch ist doch nichts für junge Mädchen.« Kopfschüttelnd hatte sie Christinas Bericht gelauscht, wie Margaret schon zum zweiten Mal beinah in Ohnmacht gesunken war. »Eine Hochzeitssuppe bringt Glück und segnet den Leib und …«
    »Es war nicht das Fleisch, Katalin. Sie hat nichts gegessen.«
    »Ja, sie hätte eben nicht so lange fasten sollen. Das Fasten ist nichts für junge Ehefrauen, wie soll sie denn ihren König zufriedenstellen, wenn sie bei jeder Gelegenheit umfällt? Er ist ein so großer, schwerer Mann, das arme Mädchen, wenn er auf ihr liegt, hört sie ja auf zu atmen, da hat er noch nicht mal angefangen. Das arme, arme Mädchen.«
    Die alte Amme trank glucksend ihren Becher leer. So ganz nüchtern war sie nicht mehr.
    Das Wasser lief ihr an den Mundwinkeln wieder heraus, tropfte auf ihr Kleid und hinterließ dort dunkle Flecken. »Gleich morgen früh, wenn alles vorbei ist und sie ihre Pflicht erfüllt hat, werden wir ihr ein Ei in Wein schlagen, wie wir es früher immer getan haben. Und dann wird alles gut, wirst schon sehen, Mädchen. Wirst schon sehen …«
    Sie stellte den Becher mit einem Knall auf den Tisch und griff sich an die Kehle. Ihr Gesicht hatte sich rot verfärbt, und ihr Atem ging stoßweise. Vielleicht hatte sie sich beim hastigen Trinken verschluckt. Oder zu viel gegessen, wie die meisten hier am Tisch. Oder die Aufregung war ihr zu Kopf gestiegen, immerhin war es ein ereignisreicher Tag gewesen. Sie hustete.
    »Nehmt noch einen Schluck, danach wird Euch besser sein.« Der Diener hinter ihr stellte ihr einen neuen Becher hin. Erleichtert packte Katalin den Becher und trank ein paar Schlucke. Röchelnd sank sie gegen die Hallenwand.
    »Ist dir nicht gut?« Christina strich über die schweißige Wange ihrer Amme und nahm ihr den Becher aus der Hand. »Katalin …« Suchend glitt ihr Blick über das rote Gesicht, die zittrigen Hände – so kannte sie die Amme gar nicht. Doch Katalin schnarchte schon, und so ließ sie sie gegen die Hallenwand gelehnt sitzen, sie störte ja nicht so wie jene Gäste, die man hinaustragen musste, weil sie zu viel gegessen hatten oder randalierten. Malcolms Diener hatten einiges zu tun. Christina bedeckte Katalin mit ihrem Umhang und verließ den Platz, um ihre Mutter zu suchen.
    Der Schwarzhaarige trat ihr in den Weg.
    »Ich habe Euch vorhin gesehen, in der Nähe der Königin, hlæfdige .« Unverhohlen graste sein Blick sie ab, dann wusste er sie mit geschickten Schritten aus der Menge herauszulösen und wie ein Schaf vor sich herzutreiben. »Man hätte die Begrüßung etwas geordneter veranstalten können …«
    »Ihr seid sehr freundlich zu meiner Schwester gewesen«, sagte Christina, obwohl sie sich in Gesellschaft dieses Mannes unbehaglich fühlte, aber hier standen sie nun mal nebeneinander – inzwischen ganz allein. Sie sah sich um. Der einzige Ausweg war hinter ihr die Tür in den Burghof. Der Diener, der von draußen hereinhastete, brachte eine Schneewolke mit. Dicker Schnee klebte an seinen Stiefeln, und der Wind rüttelte von der anderen Seite ärgerlich heulend an der Tür. Sie war umzingelt. Gab es irgendjemanden auf dieser Hochzeitsgesellschaft, bei dem sie nicht das Gefühl hatte, vor den Klauen eines Raubtieres zu sitzen? Dabei erinnerte er sie an jemanden. Die braunen Augen und die charakteristischen Brauen, an wen erinnerte sie das nur …
    Der Schwarzhaarige zupfte an seinem Bart herum. Es war ein langer, schmaler Bart, wie er offenbar im Norden Mode war. Sorgfältig gekämmt und geölt, stand er nicht in alle Richtungen ab

Weitere Kostenlose Bücher