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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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mit Stämpfli ging Johanna schwimmen. Im Wasser konnte sie ihre Gedanken ordnen. Außerdem hatte sie Kopfweh. Der See war allerdings zu warm. Und zu voll. Sie musste weit hinauskraulen, um wenigstens ein bisschen allein zu sein.
    »Bei der Plünderung des irakischen Nationalmuseums waren drei Sorten Leute am Werk«, hatte Stämpfli seine Erzählung begonnen. »Profis, Amateure und Insider. Die Amateure haben alles abgeräumt, was sie greifen konnten. Das sind Leute von der Straße, die eine echte Statue nicht von ihrer Kopie unterscheiden können. Sie haben alles mitgenommen und vieles kaputt gemacht. Was sie ergattern konnten, haben sie so schnell wie möglich verscherbelt. So sind einige wertvolle Stücke auf den Schwarzmarkt gelangt. Viele dieser Objekte sind noch im Irak oder in einem Nachbarland wieder aufgegriffen worden. Die Amis haben nicht geschlafen. Relativ schnell hatten sie eine Truppe zusammen, die Jagd auf Raubkunst machte. Diesen Kerlen musste man aus dem Weg gehen, wenn man Geld verdienen wollte.«
    Nach dem Mittagessen waren sie in die Altstadt gegangen. In Stämpflis Büro.
    »Kommt ja nicht auf die Idee, das hier zu durchsuchen«, hatte er ihr zugeflüstert, als er die Eingangstür aufgeschlossen hatte. »Hier findet ihr nichts. Aber deine trampeligen Kollegen könnten einiges kaputt machen.«
    Tatsächlich stand, hing und lag überall Kunst. Antike Objekte, aber auch Modernes. Nachdem Stämpfli eine in Messing gefasste Glaskaraffe mit Wasser gebracht und zwei türkisgrüne Becher gefüllt hatte, legte er los.
    »Profis stehlen gezielt. Meistens auf Bestellung. Es gibt Sammler, die haben ihren Wunschzettel ausgefüllt, als Bush das erste Mal gesagt hat, dass Saddam Hussein ein böser Mann sei.«
    Gespannt hatte Johanna an ihrem Wasser genippt.
    Stämpfli hatte zwei Tabletten aus einer silbernen Schatulle genommen und hinuntergeschluckt, bevor er das Wasserglas zum ersten Mal angesetzt hatte. »Im Irak entstand unsere Zivilisation. Dort wurde großartige Kunst angefertigt, lange bevor unser Vater Abraham geboren worden ist. So es ihn überhaupt gegeben hat.«
    Stämpfli war aufgestanden und hatte aus einem anderen Raum eine Mappe mit Bildern geholt. Eines davon hatte er Johanna gezeigt.
    »Das ist der Frauenkopf von Warka. Er ist mehr als viertausend Jahre alt. Das ist die älteste naturalistische Abbildung eines menschlichen Gesichts. Ist es nicht unglaublich schön?« Stämpfli hatte sich ins Fieber geredet. »Ich habe Anfragen gekriegt von Leuten, denen ich diesen Kopf hätte beschaffen sollen. Das hätte mich unglaublich reich gemacht. Aber auch sehr schlaflos.« Er hatte das Bild in die Mappe zurückgelegt und sich wieder gesetzt. »Der Kopf ist gestohlen worden. Mit großer Wahrscheinlichkeit unter Beteiligung von Museumsangestellten. Das sind die Insider, die den Profis die bestellte Ware übergeben. Oder irgendwo auf einem Tisch liegen lassen. Die amerikanische Militärpolizei hat den Kopf hinter einem Bauernhaus nördlich von Bagdad ausgegraben.«
    Nachdem sie weit genug vom Ufer entfernt war, schwamm Johanna in ruhigen Zügen stadtauswärts.
    Mittlerweile war sie überzeugt, dass Bernhard Stämpfli das Elfenbeinrelief hatte. Er hatte ihr detailliert Auskunft gegeben über die verschiedenen geraubten Schmuckstücke. Dabei hatte er die meisten erwähnt, die auf von Kranachs Liste standen. Nur das eine nicht.
    Sie tauchte und machte einige Züge unter Wasser. Es waren keine Fische zu sehen.
    »Weißt du, mit wem ich am liebsten Geschäfte mache, Johanna?« Nach einigen stummen Augenblicken war Bernhard Stämpfli zu seiner Geschichte zurückgekehrt.
    Johanna hatte ihn fragend angeschaut.
    »Mit Museen. Denen liegt etwas an der Sache. Am allerwenigsten mag ich Sammler. Die Selbstverliebten und Größenwahnsinnigen. Die kaufen Kunst nicht um der Kunst willen. Bei denen geht es ums Ego. Klar, auch Museen achten auf ihr Prestige. Aber das gehört zum Spiel. Leider wird das mit den neuen Gesetzen immer schwieriger. Früher reichten ein Echtheitszertifikat und eine gute Geschichte über die Herkunft eines Ausstellungsstückes. An Museen habe ich viel verkauft. Aber seit die Rechtslage strenger geworden ist, sind sie wachsam. Vorher mussten sie allenfalls das eine oder andere Objekt zurückgeben. Zum ursprünglichen Kaufpreis, wohlverstanden. Heute stehen Strafverfahren und hohe Bußen auf dem Spiel. Dafür steigen die Preise bei den Sammlern. Je illegaler, umso geiler.«
    Johanna kraulte zurück

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