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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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Eingeweide zogen sich zusammen. »Ich habe sie gestern hierher gebracht. Zusammen mit ihrer Mutter. Mit dem diensthabenden Arzt habe ich vereinbart, dass man mich verständigt, bevor sie entlassen wird.«
    Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Was Sie mit meinem Kollegen vereinbart haben, ist seine Sache. Heute entscheide ich. Und ich habe Frau Stämpfli entlassen, ohne die Polizei um Erlaubnis zu bitten. Wünschen Sie sonst noch was?«
    »Ein bisschen Anstand vielleicht?«
    Er schien überrascht. »Wissen Sie denn, was Anstand ist?« Daraufhin drehte er sich um und ging.
    Johanna überlegte, welches ihrer Lieblingsschimpfwörter am besten passte. ›Armseliger Wichser‹ schien den Sachverhalt gut wiederzugeben.
    Wie von der Tarantel gestochen drehte sich der Doktor um. »Das ist Ehrverletzung! Das werde ich melden.«
    Johanna ging auf ihn zu. Er trat einen Schritt zurück.
    »Wissen Sie denn, was Ehre ist?«
    Danach wandte sie sich um. In ihrem Rücken hörte sie ein wildes Schnaufen.
    Die Frau am Empfang starrte angestrengt in ihren Terminkalender. Als Johanna an ihr vorbeiging, blickte sie kurz auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben erhielt sie eine Kusshand von einer Polizistin.
    Draußen versuchte Johanna, Tamaras Mutter anzurufen. Sie antwortete nicht.
    Frustriert stieg di Napoli auf ihre Vespa. Das Einzige, was ihr jetzt helfen konnte, war der Samstagsmarkt in Oerlikon.
    35.
    Die Polizistin am Schalter nahm den Reisepass und die Flugtickets entgegen. Es war eine ältere Beamtin. Ziemlich korpulent. Bei der Passkontrolle saß sie den ganzen Tag. Physische und geistige Unbeweglichkeit schienen die Hauptmerkmale dieses Jobs zu sein. Vermutlich auch die Schlüsselqualifikationen.
    An den russischen Patriarchen heranzukommen, war nicht einfach gewesen. Dazu brauchte es eine Empfehlung. Einen Türöffner. Nicht irgendeinen Menschenhändler, der ihrem Vater Mädchen lieferte. Dazu brauchte es ein Tier, das sich am anderen Ende der Fresskette bewegte.
    Unter normalen Umständen wäre dies Bogdanow gewesen. Oder Stämpflis Zuger Anwalt. Diese beiden Türen hatte sie selbst zugeschlagen. Also hatte sie sich etwas einfallen lassen müssen. Ihr Glück, dass ihr Vater immer noch gute Kontakte in Deutschland hatte. Auch solche außerhalb von St. Pauli.
    Ein Berliner Immobilienmakler hatte ihr geholfen. Er war international tätig. Auch in der Schweiz. Für den russischen Mob investierte er bluttriefendes Geld in blitzblanke Glasfassaden. Sie blickten auf verschiedene, für beide Seiten erfolgreiche Geschäftsabschlüsse zurück. Das Beste aber war, dass der Mann eine Rechnung mit Bogdanow offen hatte. Der hatte ihn viel Geld gekostet, weil er es in eine Firma gesteckt hatte, die Konkurs gegangen war. Der Berliner vermutete, dass Bogdanow das Unternehmen vorher ausgeschlachtet hatte wie eine Mastsau. Zumindest hatte er sich so ausgedrückt.
    Sie blickte auf die Uhr. Ihr Programm war gedrängt. Zunächst würde sie nach Berlin fliegen. Dort den Makler treffen. Er würde ihr einige Informationen geben, die sich nicht am Telefon übermitteln ließen. Danach weiter nach Russland. Dort ging es um die Wurst, wie ihr Vater sagen würde.
    Die Beamtin musterte sie. Es war das personifizierte Misstrauen. Irgendetwas gab sie in den Computer ein.
    Zweckmäßig wäre die Adresse eines ihrer Fitnesscenter. Salome Hügli schmunzelte. Vor Kurzem hatte sie eines in der Nähe des Flughafens eröffnet. Es lief nicht wie erwünscht. Sie hatte dem Geschäftsführer ein Jahr Zeit gegeben, um den Break-even zu erreichen.
    Wortlos gab ihr die Beamtin die Papiere zurück. Dann fiel ihr Blick auf den Nächsten in der Reihe.
    Bevor Salome Hügli zum Gate ging, musste sie ein Souvenir kaufen. Eine Nettigkeit für den Padre Padrone. Schokolade vielleicht. Oder ein Taschenmesser. Das könnte sie ihm in den Hals rammen, wenn die Verhandlung nicht zufriedenstellend verlief. Glücklicherweise verhinderten die Sicherheitsvorschriften solche Pläne. Sie steuerte auf ein Uhrengeschäft zu.
    Als Salome Hügli außer Sichtweite war, ergriff die Beamtin das Telefon. Den nächsten Kunden ließ sie warten. Ihren Anruf beantwortete ein Mann, der auf der anderen Seite der Glaswand stand. Neben den wartenden Flugpassagieren. Jeans, Turnschuhe, weites Hemd mit Karomuster, unter dem sich viel verstecken ließ. Der Mann holte ein Handy aus seiner Gesäßtasche. Interessiert hörte er zu. Nickte. Dann setzte er eine Pilotensonnenbrille auf und ging.
    36.
    Am Blumenstand

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