Die Stunde Der Toechter
Tochter erkannt. Deshalb poliert sie die Fassade auf. Du magst es glauben oder nicht. Aber Hüglis werden erst noch richtig kriminell.«
Johanna schaute Müller an. »Glaubst du ebenfalls, dass dies der eigentliche Hintergrund der Geschichte mit Bogdanow ist? Salome Hügli will mit der Mafia ins Geschäft kommen?«
Ihr Kollege nickte. »Vielleicht hat sie keine andere Wahl.«
Johanna seufzte. »Ihr Oberkriminalisten mögt recht haben. Aber wo ist Tamara?«
Auf diese Frage schwiegen sie im Chor.
45.
Heißes Wasser tröpfelte auf ihre Haut. Es kullerte zwischen ihren Brüsten hinunter und löste sich in der Wanne auf. Camenzind strich ihr über den Hals, die Schultern, die Arme. Ihr Kopf ruhte auf seiner rechten Brust. Von Zeit zu Zeit ließ er neues Wasser ein. Dann füllte sich das Badezimmer mit heißem Dampf. In diesen Momenten öffnete sie die Augen. Nur in diesen.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie im Wasser lag. In seinen Armen. Aufstehen kam nicht infrage. Nicht solange sie dazu verdammt war zu warten. Auf ein Lebenszeichen von Tamara. Einen Anruf von Stämpfli. Einen Fehler von Hügli. Den Funkspruch eines Streifenpolizisten, der auf einem entlegenen Parkplatz einen Kofferraumdeckel geöffnet hatte.
Tränen vermischten sich mit dem Wasser auf ihrer Haut. Im Wohnzimmer summte Billy Holiday.
Den ganzen Tag hatten sie jeden möglichen Ort untersucht. Sexclubs, Fitnesscenter, Lagerräume, Wohnungen, Garagen. Ergebnislos. Keine Tamara, kein Hügli. Dessen Tochter genauso wenig. Lediglich ihr Auto hatten sie gefunden. In einer Tiefgarage neben einem von Hüglis Boliden. Johanna di Napoli hatte sich bis zuletzt geweigert aufzugeben. Irgendwann hatte von Kranach sie nach Hause geschickt. Dort war sie lange vor ihrem Sofa auf dem Boden gesessen. Hatte geweint und getrunken. Später hatte sie Lucs Nummer gewählt. Sie wusste nicht, wie sein Nachname lautete. Nach dem dritten Klingeln hatte sie aufgelegt. Daraufhin Camenzind angerufen. Er war im Büro gewesen. Wie immer.
Etwas Kaltes stieß sanft an ihre Lippen. Johanna öffnete sie einen Spalt. Whiskey füllte ihren Mund mit torfigem Geschmack. In ihrem Rachen hinterließ er eine brennende Spur. Sie drehte den Kopf und schmiegte ihr Gesicht an Camenzinds Hals.
46.
»Entspannen Sie sich, Frau di Napoli!«
Der Staatsanwalt hatte gut reden. Nicht seine Jugendfreundin war in der Gewalt eines schleimigen Zuhälters, sondern ihre. Ohne dass sie das Geringste für Tamara tun konnte.
Stattdessen musste sie sich Entschuldigungsbriefe an selbstgefällige Ärzte aus den Fingern saugen. Außerdem begründen, wieso sie mit einem mehrfachen Mörder, der gerade einen Mann niedergeschlagen hatte und eine Knarre in der Hand hielt, nicht gewaltfrei kommuniziert hatte. Und nun versuchte sie seit anderthalb Stunden, einem Sesselfurzer darzulegen, wieso sie vor zwei Wochen nicht seelenruhig im Auto sitzen geblieben war und zugeschaut hatte, wie zwei Schwerverbrecher in einer lauen Sommernacht verschwunden waren.
Bei alledem sollte sie ruhig bleiben. Aufgeblasenen Etappenhengsten nicht ins Wort fallen. Sich entspannen.
Schneeberger strahlte wie ein Heiratsschwindler. Er war groß und attraktiv. Zu seiner Linken saß Anna Graber. Die Frau war in Ordnung. Drahtig, blond, ein paar Jahre älter als Johanna. Sie würden sich verstehen. Bei Fédier hingegen war die Sache gelaufen. Er thronte rechts neben dem Untersuchungsleiter. Bei der Begrüßung war er ihrem Blick ausgewichen. Sie musste ihm mächtig auf den Zipfel gestanden sein. Seinerzeit.
Alle drei hatten Aktenmappen vor sich. In Anna Grabers Exemplar steckten viele gelbe Zettelchen. Die beiden anderen Dossiers sahen unberührt aus. Schneeberger nahm seines zur Hand. Johanna hätte ihm damit am liebsten das Nasenbein gebrochen. Dazu fehlten allerdings noch einige hundert Seiten.
»Sie sind also der Meinung, dass Sie angesichts der Gefährlichkeit der beiden Insassen des Fluchtautos angemessen gehandelt haben, Frau di Napoli?«
Johanna nickte. »Ich war zu diesem Zeitpunkt allein vor der Unterführung. Keine Verstärkung weit und breit.« Sie überlegte einen Moment. Trotz Aeschbachers Rat, sich zurückzuhalten, sagte sie, was sie dachte. »Der Einsatzleiter glaubte nicht, dass die beiden Typen durch die Langstrasse fahren würden. Deshalb hat er versäumt, genügend Leute in Stellung zu bringen.«
Fédier blickte sie scharf an.
»Ich hatte die Wahl, die Killer durchzulassen oder selbstständig zu handeln. Angesichts
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