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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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ihrer Gefährlichkeit habe ich mich für das Zweite entschieden.«
    Schneeberger blickte die beiden anderen an.
    »›Eigenmächtig‹ ist die zutreffendere Bezeichnung für Ihr Handeln. Angesichts der Risiken, die Sie dabei in Kauf genommen haben, ist ›selbstständig‹ eine unverschämte Schönfärberei, Frau di Napoli.« Fédier presste seine Worte durch kaum geöffnete Lippen hindurch.
    Früher hatten sie sich geduzt.
    »Wie Sie selbst gesagt haben, waren Sie mit den Entscheidungen des Einsatzleiters nicht einverstanden. Zweifellos hätten Sie es besser gewusst, nicht wahr?«
    Diesmal hatte Johanna Aeschbachers Worte in den Ohren und schwieg.
    Fédier fuhr fort. »Sie können sich partout nicht an Weisungen von Vorgesetzten halten. Vor allem, wenn es Männer sind.« Er schielte zu Schneeberger hinüber. »In Tat und Wahrheit haben Sie ein Autoritätsproblem. Eine beinahe pathologische Widerborstigkeit. Sie wären genauso in die Unterführung gerast und hätten einen Verkehrsunfall verursacht, wenn in dem anderen Auto zwei katholische Priester gesessen hätten. Nur weil es das Gegenteil von dem war, was der Einsatzleiter befohlen hatte. Genau so ist es doch, Frau di Napoli!«
    Er faltete die Hände zusammen und blickte Johanna gespannt an.
    Sie schaute aus dem Fenster hinaus und dachte an den See. An kühles Wasser auf ihrer Haut.
    »Welche konkreten Hinweise hatten Sie denn für die Gefährlichkeit der beiden Wageninsassen, Frau di Napoli?« Freundlicherweise spielte ihr Anna Graber einen Steilpass zu.
    Johanna lenkte ihre Gedanken zurück in das klimatisierte Sitzungszimmer. »Ich habe den gesamten Einsatz per Funk mitverfolgt. Deshalb wusste ich, dass die beiden ein Auto gerammt hatten und unbeteiligte Opfer in Kauf nahmen. Außerdem war mir bekannt, dass sie höchstwahrscheinlich jemanden entführt hatten. Schließlich hatten sie den Fahrer des gerammten Autos erschossen und eine Kollegin über den Haufen gefahren. Es war völlig klar, dass wir es nicht mit den Wiener Sängerknaben zu tun hatten.« Trotzig schaute sie Fédier an. »Bereits die Entscheidung des Einsatzleiters, dass Streifenwagen das Auto stoppen sollten, war gewagt. Um nicht zu sagen leichtsinnig.«
    »Da haben wir es wieder!« Fédier machte keinen Hehl aus seiner Abneigung. »Sie ist eine krankhafte Besserwisserin und eine Gefahr für jeden disziplinierten Polizisten.«
    Unbeirrt fuhr Johanna fort. »Meine anfängliche Befürchtung wurde bestätigt, als die Streifenpolizistin angefahren wurde. Soviel ich weiß, ist sie nicht wieder arbeitsfähig.« Sie konnte sich einen triumphierenden Blick an die Adresse von René Fédier nicht verklemmen. »Weitere Opfer galt es zu vermeiden. An diesem Sommerabend war die Langstrasse belebt. Wenn die beiden unbehelligt aus der Unterführung herausgekommen wären, wäre das Risiko um einiges höher gewesen. Bei einer Schießerei hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit zivile Tote oder Verletzte gegeben. Deshalb bin ich in die Unterführung gefahren und habe die beiden gestoppt. Zweifelsohne nahm ich dabei Opfer in Kauf. Aber das Risiko schien mir kalkulierbar.«
    Wütend stieß Fédier einen Atemstoß in den Raum hinaus. Er sagte aber nichts weiter.
    Schneeberger blickte Anna Graber an. Diese schüttelte den Kopf.
    »Gut, Frau di Napoli.« Der Staatsanwalt schloss das Dossier auf seinem Tisch. »Die Befragung ist beendet. Die Untersuchung wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wir werden Zeugen befragen und Sie allenfalls ein weiteres Mal vorladen. Selbstverständlich wird Ihnen zu gegebenem Zeitpunkt mitgeteilt, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird.« Er lächelte wie Casanovas Musterschüler.
    Johanna stand auf, verabschiedete sich und ging. Sie war ganz genau in der Laune, die es brauchte, um den Brief an das Doktorchen der Psychiatrie zu schreiben.
    47.
    Eine Krankenschwester hielt ihm den Hörer ans Ohr, damit er telefonieren konnte. Johanna di Napoli konnte sich vorstellen, wie Metzger diese Situation auskostete.
    »Komm zur Sache, Martin!«
    Am anderen Ende der Leitung erklang ein Seufzer. »So wird das nichts zwischen uns, Johanna. Du zerstörst jedes Ambiente.«
    »Verflucht, Martin, mir fliegt meine Polizistinnenlaufbahn um die Ohren! Ich habe keine Nerven für deinen Scheiß.«
    »Also gut. Mir ist noch etwas in den Sinn gekommen.« Er machte eine Pause.
    Johanna verließ die Kneipe. An der Bar stritten Köbi und Grazia darüber, ob die Schädlichkeit von Passivrauchen

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