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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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sein, mit den Nachbarn die Wohnungseinrichtungen auszutauschen. Bis alles wieder dort war, wo es hingehörte. Danach würden sie ein halbes Jahr darüber diskutieren, ob sie wieder ein Fest machen sollten. Am Ende würden sich die Kinder durchsetzen.
    Er nahm einige Bratwürste vom Grill und legte neue auf. Seine Nachbarin kam. Mit lasziv schwingenden Hüften. Zwei Teller in den Händen.
    Er hielt die Grillzange zum Himmel. »Lieber Gott. Schick Blitz, Donner und Regen, damit ich diese Schönheit im Bikini nicht länger anschauen muss.«
    »Lügner!«
    Sie lächelte und er platzierte zwei Würste neben den Nudelsalat. Verträumt blickte er ihr hinterher. Dass sie nebenan wohnte, war eine Katastrophe. Nur ein paar Häuser weiter entfernt, und es könnte etwas werden. Aber Tür an Tür. Das ging einfach nicht. Die Siebzigerjahre waren vorbei.
    In seiner Hose vibrierte es. Er zog sein Handy hervor.
    Seine Lieblingsmätresse!
    »Dich schickt der Himmel. Ich habe lange mit keiner schönen Frau mehr gesprochen.«
    »Du solltest deinen Mund zum Küssen benutzen statt zum Lügen.« Johanna di Napoli hatte eine schwere Zunge.
    »Bist du betrunken?« Er blickte sich um. Niemand hörte ihm zu. Seine Frau war nirgends zu sehen. Auch wenn es sie am allerwenigsten gestört hätte, war es ihm trotzdem peinlich.
    »Männer sind Scheiße. Das ist passiert.«
    Johanna schien zu lachen. Es klang wie Heulen.
    »Ich brauche dich, Camenzind. Sofort.«
    Sie schien tatsächlich besoffen zu sein.
    »Ich kann hier nicht weg, Jo. Wir haben unser Siedlungsfest. Ich bin Grillmeister. Verstehst du? Das ist wirklich der dümmste Zeitpunkt.«
    Zwei Kinder kamen mit leeren Tellern. Er gab ihnen die Grillzange und ging ein paar Meter weiter weg. Die beiden ließen sich nicht zweimal bitten und tischten auf. Danach verschwanden sie in seiner Wohnung.
    »Das habe ich geahnt. Schließlich bin ich von der Polizei. Und die ist nicht auf den Kopf gefallen.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Deshalb bin ich hergefahren. Es hat zu wenig Parkplätze in dieser Ökosiedlung.«
    Er ließ beinahe das Handy fallen. Aus seinem Haus kam eine Frau gelaufen. Sie hatte die Teller der beiden Kinder dabei und häufte das Fleisch zurück auf den Grill. Danach nahm sie zwei Maiskolben. Aufgebracht starrte sie ihn an. Er lächelte. Wütend stapfte sie zurück. Sie wohnte ein paar Häuser weiter weg.
    »Camenzind, bist du noch dran? Oder machst du dir in die Hosen, du Held?«
    »Wo bist du, Johanna?«
    »Ich blockiere die Straße vor deiner Siedlung. Wenn du mich nicht rettest, werde ich von blindwütigen Müttern gesteinigt.«
    »Warte auf mich!«
    Er schaltete das Handy aus und steckte es in die Hosentasche. Danach hielt er nach einem Ersatzgrillmeister Ausschau. Die Nachbarin war im Anmarsch. Mit einem leeren Teller.
    Camenzind ging an den Grill zurück. »Wenn ich dir sage, dass du den entzückendsten Gang der ganzen Goldküste hast, würdest du dann den Grill für mich hüten?«
    Sie lachte. »Für heuchlerische Komplimente verkaufe ich höchstens meinen Ehemann, das Haus und die Kinder.«
    Er legte Lammkoteletts auf ihren Teller. »Ich sage nichts als die Wahrheit. Du bewegst dich wie eine Göttin.«
    Grinsend wandte sie sich ab. »Ich schicke dir meinen Mann!«
    Umgehend legte Camenzind die Grillzange weg und zog die Schürze aus. Danach ging er um das Haus herum zur Straße hinauf. Tatsächlich wartete Johanna in einem Auto auf dem Trottoir. Die Scheiben waren geöffnet. Er legte den rechten Unterarm auf das Dach und sah zu ihr in den Wagen. Sie hatte eine Fahne.
    »Ist es schlimm?«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie nickte.
    Er öffnete die Tür. »Rutsch hinüber! Ich bringe dich nach Hause.«

Tamara
    Meine Hände
    Sind blutig, wie die deinen; doch ich schäme
    Mich, daß mein Herz so weiß ist.
     
    Lady Macbeth, in: William Shakespeare, Macbeth, zweiter Aufzug, erste Szene
    57.
    »Hat Marianne dich angerufen?«
    Johanna di Napoli nickte. Sie nahm einen Schluck Wasser und blickte sich um. Gegenüber hoppelte ein Kaninchen über den Rasen. Von kreischenden Kindern gehetzt.
    Seit sie sich auf den Balkon gesetzt hatten, stierte Judith Stämpfli ein Loch in die Tischplatte.
    »Meine Tante behauptet, ich hätte Bernhard umgebracht.« Schnaubend schenkte sie Wasser nach. »So etwas Hysterisches! Er war ein Betrüger. Alle haben es gewusst. Es war eine Frage der Zeit, bis ihn jemand erschießen würde.«
    Johanna stellte das Glas ab. »Dein Onkel wurde nicht

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