Die Stunde Der Vampire
angebissen hatte.
Das war unglaublich. Allmählich ging ich nicht mehr davon aus, dass Cormac so etwas schon einmal getan hatte. Ich war mir sicher, dass er es schon oft getan hatte.
Jetzt zog sich Cormac Handschuhe aus dünnem schwarzem Leder an. Ich folgte seinem Beispiel, auch wenn es sich bei meinen um billige Wollhandschuhe handelte, die ich in meinem Wagen gefunden hatte. Nicht einmal annähernd so cool wie seine. Als wir die Tür von Flemmings Büro erreichten, hatte er bereits ein Magnetkärtchen aus der Tasche gezogen: eine Schlüsselkarte.
»Woher hast du die?«, zischte ich.
»Vom Hausmeister«, sagte er. »Keine Sorge, ich werde sie zurückgeben.«
Oh. Mein. Gott.
Das Schloss klickte. Die Tür glitt auf.
Ich folgte Cormac in das Büro. Er schloss sanft die Tür hinter mir.
Das Büro lag im Dunkeln. Cormac machte keine Anstalten, das Licht anzuknipsen. Durch das Milchglasfenster in der Tür drang so viel Korridorbeleuchtung, dass wir uns
in dem Raum zurechtfinden konnten. Meine Augen gewöhnten sich schnell an das Dämmerlicht. Schneller als Cormacs; ich befand mich längst auf dem Weg zu dem Aktenvernichter in der Ecke, während er immer noch blinzelte.
Der Papierkorb unter dem Schredder war leer. Die Ablagefläche daneben ebenfalls. All die Papiere, verschwunden. Natürlich waren sie das. SchlieÃlich hatte er den ganzen Vormittag damit verbracht, sie zu vernichten.
Ich machte mich an die restlichen Dokumentenstapel, die sich auf dem Schreibtisch und den Bücherregalen türmten. Es waren alles medizinische Fachzeitschriften, veröffentlichte Artikel, Fotokopien, Dissertationen und dergleichen. Manches davon hatte ich selbst aufgestöbert. Auf den ersten Blick gewährte nichts davon Einblick in Flemmings Forschungen. Alles nur Hintergrundinformationen und Unterlagen. Bloà das Brot, nicht das Fleisch in der Mitte eines Sandwiches.
Cormac trat an den Schreibtisch, um die Computer anzuschalten. Nachdem sie hochgefahren waren und die Monitore aufleuchteten, sah er kopfschüttelnd zu mir herüber. »Mit einem Passwort geschützt«, sagte er. »Hacken ist nicht gerade meine Stärke.«
Nein, er war eher der Typ, der mit einer gestohlenen Plastikschlüsselkarte und einem Revolver Kaliber .45 herumlief.
Auf eine gründliche Durchsuchung war ich nicht vorbereitet. Ich war â fälschlicherweise â davon ausgegangen, dass ich in dem ganzen Verhau irgendetwas einfach herumliegen sähe, trotz der ganzen vernichteten Akten. In
der Hoffnung auf einen Geistesblitz musterte ich die Bücherregale. Ich fand es amüsant, wie die physiologischen Nachschlagewerke gleich neben den Sagenenzyklopädien standen.
Ich seufzte und stand kurz davor, meine Niederlage einzugestehen. »Schauen wir mal, ob wir ins Nebenzimmer kommen.«
Die zweite Tür wies ebenfalls ein Milchglasfenster auf, doch auf der anderen Seite war es dunkel. Durch die Scheibe lieà sich nicht das Geringste erkennen. Cormac zückte seine zuverlässige gestohlene Magnetkarte, lieà sie durch das Lesegerät gleiten und öffnete die Tür, die vor ihm aufschwang. Er richtete sich auf und bedeutete mir hineinzugehen.
»Nach dir.«
Ich hatte das Gefühl, ein uraltes ägyptisches Grabmal zu betreten. Es war so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hören konnte, und es herrschte die Art Kühle, die durch unterirdisches Mauerwerk gekrochen kam. Ich konnte in der Dunkelheit ganz gut sehen. Der Linoleumboden ging weiter, und wie im Büro waren die Wände auch hier von Regalen gesäumt. AuÃerdem gab es Labortische, Ausgussbecken und Wasserhähne, sowie einen gewaltigen metallisch glänzenden Kühlschrank, der leise summte. Hier hatte Flemming auch eine ansehnliche Sammlung von medizinischer Ausrüstung, die ich in seinem Labor erwartet hatte: Ständer mit Reagenzgläsern, Bechergläser, Bunsenbrenner und unidentifizierbare Geräte auf den Tischen, die in Steckdosen an den Wänden angeschlossen waren. Es mochte sich um Oszillatoren, Autoklaven und all
die Dinge handeln, die in Krankenhausserien im Fernsehen zu sehen waren oder in einer Zahnarztpraxis. Auch hier herrschte eher die Atmosphäre eines Uni-Biologielabors als einer heimlichen Forschungseinrichtung der Regierung.
Die gegenüberliegende Wand bestand aus Glas, vielleicht Plexiglas. Dahinter ging das Zimmer weiter, wurde jedoch
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