Die Stunde Der Vampire
und musste mir die ganze Zeit über die Hand vors Gesicht halten.
Wir fanden ein paar Leute, sowohl Lykanthropen wie auch Vampire, die sich in den Schränken von Wohnwagen oder auf dem Boden von Trucks und Autos versteckten. Sie hatten die Arme um sich geschlungen, zitterten, weinten â alles Entzugserscheinungen. Sie sahen blass und
dünn aus, ihre Haare waren glanzlos und schlaff. Ich hätte nicht gedacht, dass Werwölfe an Unterernährung sterben könnten, da ihre Körper derart zäh und widerstandsfähig waren. Doch sie sahen alles andere als gut aus. Die Vampire â ihre Körper mochten vielleicht nicht zusammenbrechen. Doch sie konnten den Verstand verlieren. Smith hatte sie aufrechterhalten, auf diese Weise hatten sie überlebt.
Ich versuchte, sie hervorzulocken, indem ich mit ihnen redete, sie beruhigte, doch sie mochten mich nicht. Mein Geruch war ihnen nicht vertraut, und sie lagen zusammengekauert da, mehr Tier als Mensch. Manche folgten mir ins Freie. Zu manchen musste Leo kommen und ihnen zuflüstern, sie mit seinem Vampirzauber betören, bis ihnen die Augenlider zufielen und sie seinen Befehlen gehorchten.
Diese Leute hatten zu je einem Dutzend pro Wohnwagen gehaust, ohne Essen, ohne Duschen. Smith hatte sie in Zombies verwandelt.
Alette gesellte sich zu uns, als wir unseren Rundgang durch das Lager beendeten.
»Da haben Sie einen recht beeindruckenden Coup gelandet, für jemanden, der behauptet, keinerlei Autorität zu besitzen«, sagte sie stirnrunzelnd.
Sie fragte mich, was vorgefallen war, was genau wir mit angesehen hatten und was wir getan hatten, um Smith zu vertreiben. SchlieÃlich nickte sie, ohne im Geringsten überrascht zu wirken; ganz so, als sei ihr klar, was er war, und als habe sie im Grunde nichts anderes erwartet.
»Ich hätte niemals gedacht, dass es so schlimm sein
könnte«, sagte ich. »Ich habe geglaubt, Smith verkaufe die Leute für dumm. Doch er hat sie förmlich ausgesaugt. Hat sie am Leben erhalten, damit er sie weiterhin benutzen konnte.«
»Das tun Wesen seiner Art nun einmal«, sagte Alette. »Das tun sie schon seit Jahrhunderten, unter diesem oder jenem Deckmantel. Die Sidhe, die Elfen, haben sich immer von den Leben der sterblichen Menschen ernährt. Früher stahlen sie Säuglinge und ersetzten sie mit Wechselbälgern; sie verführten junge Männer und Frauen; jahrzehntelang hielten sie sich sterbliche Diener. Es ist, als seien sie selbst gar nicht wirklich lebendig, sodass sie Leben ganz in ihrer Nähe benötigen, um sich zu stärken. Vampire und Lykanthropen sind mehr als Menschen. Sie haben als Sterbliche angefangen und sind zu etwas Machtvollem geworden. Was immer die Sidhe von lebenden Menschen beziehen, von uns bekommen sie mehr. Smith schuf eine Situation, in der er sich mit ihrer Macht umgeben konnte. Weil die Sidhe die Macht besitzen, über die Wahrnehmung anderer zu verfügen, besonders über die Wahrnehmung von Raum und Zeit, konnte er seine Gefolgsleute alles glauben machen. Er konnte ihnen die Welt zeigen, die sie nach seinem Willen sehen sollten. In den Geschichten heiÃt es, das Essen der Elfen wirke wie ein Festmahl, zerfalle jedoch im Mund zu Staub.« Sie lieà den Blick traurig über die verlassene Karawane schweifen.
Wir kehrten kurz vor der Morgendämmerung zu Alettes Stadthaus zurück. Bradley schob die Entschuldigung vor, er müsse noch einige Angelegenheiten tagsüber erledigen â Alette musste ein eigenes Stadthaus anmieten, in
dem die Vampirflüchtlinge wohnen konnten â, und lieà mich einfach alleine mit ihr in der Eingangshalle zurück.
Sie stand mit verschränkten Armen da, in einem rostfarbenen Kleid mit einem maÃgeschneiderten Seidenoberteil und wallendem Rock, das selbst nach dem nächtlichen Ausflug kein bisschen zerknittert war. Wie schaffte sie das nur?
»Tja. Sie sehen ziemlich mitgenommen aus«, sagte sie mit einem Blick auf meine angesengte Kleidung, das dreckverschmierte Gesicht, den verletzten Arm und das blutüberströmte Hemd. In ihrem gepflegten britischen Akzent klang die Bemerkung ganz besonders deprimierend.
»Ja«, sagte ich matt. Was sollte ich schon groà sagen?
»Ich wünschte wirklich, Sie hätten mich in Ihre Pläne eingeweiht. Dann wären wir vielleicht besser vorbereitet gewesen.«
Ich wollte mich unbedingt hinsetzen, doch schmutzig wie ich war, wagte
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