Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
spontan hinzugefügt, um die Gedanken des jungen Mannes vom Selbstmord abzulenken, doch als er dasaß und die Sache durchdachte, rasten auch ihre eigenen Gedanken. Sie erkannte, daß sie sich noch eine weitere Möglichkeit eröffnet hatte, wie sie im Spiel des Rates Vorteile erzielen konnte.
    Bruli mußte sich entscheiden zwischen dem Tod und der finanziellen Schande seiner Familie einerseits und dem Abbruch der Beziehung zu einem Verbündeten und der Möglichkeit eines Versprechens, das er vielleicht niemals zu halten gezwungen sein würde, andererseits. Er hatte seine Wahl rasch getroffen. »Lady, ich habe vorschnell gesprochen. Euer Vorschlag ist hart, doch ich werde trotzdem das Leben wählen. Wenn die Götter mir den Mantel der Kehotara-Herrschaft bringen, werde ich tun, was Ihr verlangt.« Er stand langsam auf, und seine Haltung nahm verächtliche Züge an. »Doch die Möglichkeit, daß ich anstelle meines Bruders den Mantel des Lords erbe, ist sehr gering. Es war närrisch von Euch, so zu handeln.«
    Mara haßte den nächsten Augenblick wegen seiner Grausamkeit, als sie schweigend einem beim Laden stehenden Diener ein Zeichen gab. Er verbeugte sich und reichte ihr ein Dokument mit einem zerrissenen Siegel. »Dies ist hier eingetroffen, Bruli. Es war für Euch bestimmt, doch da Euer Vater es als angemessen empfand, in Eurem Gefolge einen Attentäter zu verstecken, sah sich mein Hadonra zur Wahrung meiner persönlichen Sicherheit gezwungen, es zu lesen.«
    Das Papier war mit roten Schleifen zugeschnürt, der Farbe Turakamus. Eine Kälte, die Bruli niemals für möglich gehalten hätte, durchdrang ihn plötzlich, und er hob widerwillig die Hand. Das Papier schien zu leicht, um die Nachrichten zu transportieren, die er in der Schrift des Ersten Schreibers seines Vaters las. Neue Trauer traf ihn mitten ins Herz, und er zerknüllte das Pergament mit zitternden Fäusten. Irgendwie gelang es ihm, die Kontrolle zu behalten. »Frau, Ihr seid nichts als Gift, so tödlich und hinterhältig wie das des Keti-Skorpions, der sich unter den Blüten der Blumen versteckt.« Als sie ihm den Vorschlag unterbreitet hatte, war ihr längst klar gewesen, daß Mekasis ältester Sohn in der barbarischen Welt gestorben war, ein Opfer des Feldzugs des Kriegsherrn. Sie hatte Bruli eine Falle gestellt, in dem sicheren Bewußtsein, daß er bereits den Titel des Nachfolgers geerbt hatte. Jetzt verbot ihm die Ehre, sein einmal gegebenes Wort zurückzunehmen.
    Bruli bebte vor Wut, und er betrachtete die Frau, die er einst, dumm genug, geliebt hatte. »Mein Vater ist ein robuster Mann, dem noch viele Jahre bevorstehen, Acoma-Hexe! Ich gab Euch mein Versprechen, doch Ihr werdet niemals lang genug leben, um zu erfahren, wie es gehalten wird.«
    Keyoke versteifte sich und griff argwöhnisch nach seinem Schwert, doch Mara antwortete nur mit müdem Bedauern. »Bezweifelt niemals, daß ich meinen Preis einfordern werde.
    Denkt daran, wenn Ihr die Geschenke zurücknehmt, die Ihr mir machtet. Laßt mir nur den Singvogel, denn er wird mich an einen jungen Mann erinnern, der mich zu sehr liebte, um noch klug sein zu können.«
    Ihre Aufrichtigkeit brachte Erinnerungen hervor, die jetzt schmerzhaft und bitter waren, und seine Wangen brannten von der Intensität gegensätzlicher Gefühle. »Ich bitte Euch um die Erlaubnis, mich zu verabschieden. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, möge der Rote Gott mir gewähren, daß ich Eure Leiche sehe.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt, sich nur zu bewußt, daß jeder in Hörweite stehende Soldat der Acoma bereit war, diese Beleidigung zu beantworten. Doch Mara legte ihre Hand beschwichtigend auf Keyokes Arm und schwieg, während der junge Mann fortging. Nach einiger Zeit verklang das Trampeln der Gefolgschaft der Kehotara aus dem Hof. Nacoya kam herbei; sie sah zerzaust aus, und ihr Mund war zu einer verärgerten Linie zusammengepreßt. »Was für ein beharrlicher junger Mann«, brummte sie, änderte jedoch sofort die Richtung, als sie Maras Schweigen bemerkte.
    »Noch eine Lektion, Kind: Männer sind in Liebesdingen sehr leicht zu verletzen. Meistens heilen diese Wunden nur sehr schlecht. Ihr mögt diese Runde des Spiels gewonnen haben, doch Ihr habt Euch auch einen tödlichen Feind geschaffen. Niemand ist gefährlicher als jene, deren Liebe sich zu Haß gewandelt hat.«
    Mara deutete unverblümt auf den Kopf des toten Trägers. »Jemand muß den Preis für die Machenschaften der Minwanabi bezahlen. Ob andere

Weitere Kostenlose Bücher