Die Stunde Der Woelfe
entscheiden kann, ob er sich von seinen Instinkten beherrschen lassen will oder ob er über das alles hinauswächst. Aber können wir das tatsächlich? Vielleicht ⦠vielleicht wenn ich kein Rudel habe ⦠wenn ich nichts mit einem Rudel zu tun haben
will ⦠vielleicht ist das meine eigene Art, die Kontrolle zu übernehmen. Ich gebe nicht nach. Ich muss nicht so sein. Ich kann allein überleben. Oder nicht? Oder nicht?«
Ich konnte es nicht. Seit der Nacht, in der ich angegriffen worden war, bis zum heutigen Tage war jemand â T.J., Carl oder irgendjemand â da gewesen und hatte mir versichert, dass ich es schaffen würde, dass ich Freunde hatte. Sie halfen mir dabei, nicht die Kontrolle zu verlieren. Durch sie hatte ich einen Zufluchtsort, an den ich mich zurückziehen konnte, wenn ich das Gefühl hatte, die Beherrschung zu verlieren. Ich musste mir keine Sorgen machen, dass ich ihnen wehtun könnte. Wenn ich das nicht hätte, was würde ich dann tun? Ich wäre allein. Wie viele Leute gab es â Leute wie James, die keine Rudel oder Familien oder etwas in der Art hatten â, wie viele von ihnen hörten sich meine Sendung an und dachten, ich verfügte über sämtliche Antworten? So war das nicht geplant gewesen, als ich das hier angefangen hatte.
Hatte es am Anfang überhaupt einen Plan gegeben?
Wieso maÃte ich mir an zu denken, ich könnte manchen dieser Leute tatsächlich helfen? Ich kam nicht ohne mein Rudel aus. Vielleicht war es bei James etwas anderes.
»Ich weià es nicht, James. Ich weià nichts über dein Leben. Wenn du von mir hören willst, dass ich deine Worte bestätige, dass ich dir erkläre, ja, klar, du hast recht, du brauchst kein Rudel, und alles wird gut werden, kann ich das nicht tun. Ich habe die Antworten nicht. Ich kann nur danach gehen, was ich höre und denke. Betrachte dein Leben und entscheide, ob du glücklich damit bist. Wenn du damit leben kannst, und die Leute um dich herum auch,
schön, prima, dann brauchst du kein Rudel. Wenn du nicht glücklich bist, entscheide, woran das liegt, und tu etwas dagegen. Vielleicht würde dir ein Rudel helfen, vielleicht auch nicht. Wir sprechen hier von einer sehr, sehr eigenartigen Welt. Es wäre dumm zu glauben, dass eine Regel auf alle zutrifft.« Ich lieà ein paar Herzschläge verstreichen. Sein Atem war durch die Leitung zu hören. »James, alles in Ordnung?«
Noch eine Pause, die einen Herzschlag lang währte. »Ja.«
»Ich werde jetzt den nächsten Anruf entgegennehmen. Halt die Ohren steif und nimm jeden Tag, wie er kommt.«
»Okay, Kitty. Danke.«
Bitte, bitte, bitte, lass das nächste Gespräch leicht sein! Ich holte mir den nächsten Anrufer rein.
»Du bist auf Sendung.«
»Hi, Kitty. Ich bin nun also seit etwa sechs Jahren Lykanthrop und ich glaube, ich habe mich ganz ordentlich eingelebt. Ich komme gut mit meinem Rudel aus und so weiter.«
»Gut, gut.«
»Aber ich weià nicht, ob ich mit ihnen über das hier reden kann. WeiÃt du, ich habe da diesen Ausschlag â¦Â«
Ich hatte ein Büro. Kein groÃes, eher eine Art Kammer mit einem Schreibtisch. Aber ich besaà mein eigenes Telefon. Ich hatte Visitenkarten. Kitty Norville, Midnight Hour, KNOB . Noch vor ein paar Monaten hatte ich geglaubt, dass ich niemals eine richtige Stelle haben würde. Jetzt hatte ich eine. Visitenkarten. Wer hätte das gedacht?
Die Show wurde einmal pro Woche gesendet, aber ich
arbeitete fast jeden Tag. GröÃtenteils nachmittags und abends, im Einklang mit dem nächtlichen Rhythmus, den ich mir zugelegt hatte. Ich verbrachte unglaublich viel Zeit mit dem Erledigen von organisatorischem Müll: der Vorbereitung von Interviews mit Gästen, Schadensbegrenzung, Recherche. Das machte mir nichts aus. Ja, ich fühlte mich wie eine echte Journalistin, wie meine Helden beim National Public Radio. Ich wurde sogar von den Medien angerufen. Die Sendung war nicht Mainstream, sie war abgefahren, und sie begann die Aufmerksamkeit von Leuten zu erregen, die die besonders merkwürdigen Auswüchse der Popkultur beobachteten. Viele hielten sie für eine Spielerei, die Goths ansprach. Ich hatte eine Reihe abgedroschener Antworten für so gut wie jede Frage entwickelt.
Häufig wurde ich gefragt, ob ich eine Vampirin/Lykanthropin /Hexe/was auch immer sei; von den Zweiflern wurde ich gefragt,
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